Ist Höhe schmeckbar? Kann Vernatsch reifen?
Ist Höhe schmeckbar? Oder auch „Kann Vernatsch reifen?“ 15 SU-Mitglieder machten sich in Südtirol vom 21. bis zum 23. April 2024 mit Inge Mainzer auf die Suche nach Antworten. Und diese überraschten durchaus!
Eine Fülle an Erlebnissen bei professioneller Organisation. Das war unsere Südtirol-Reise: 25 Betriebe in 2,5 Tagen; aber mit Tiefgang! Das gelang durch eine klar gesetzte Themenauswahl mit passenden Winzern.
Vernatsch:
Besonders gut fanden wir das Konzept zum Vernatsch, der aktuell nur noch, aber dafür sehr gute 8 % der Anbaufläche ausmacht. Im St. Magdalena Gebiet streiften wir mit den Winzern vom Ansitz Waldgries, Griesbauerhof, Obermoser, Larcherhof durch die imposanten Hanglagen, deren Weine wir direkt im Terroir verkosteten. Anschließend fuhren wir in die kühlere Unterregion Girlan. Zu Gast bei der Kellerei Girlan, kamen weitere Winzer mit ihren Kalterer See-Varianten Vernatsch hinzu (Weingut Andi Sölva, Weingut Rittershof, Weingut Castel Sallegg). Überrascht waren wir von der Kraft und Eleganz gereifter Vernatsch in der Vertikalverkostung 2022, 2029, 2026, 2020, 2003 und 1986. Leise konnte man Kommentare hören wie: „Das könnte auch als Pinot Noir durchgehen“. Wer hätte das gedacht?
Höhenlage:
Wissenschaftler der Forschungsanstalt Laimburg sorgten bei uns für überraschende Erkenntnisse. Es gilt als allgemeine Annahme, dass Winzer dem Klimawandel gut entgehen können, wenn sie mit ihren Weinbergen weiter in die Höhe gehen. In Südtirol wäre dies theoretisch machbar. Tatsächlich ergeben sich Vorteile, wie eine längere Reifezeit, niedrigere Alkoholwerte und Säureerhalt. Aber so „heilbringend wie erhofft“ ist dies nicht, denn es stehen kompensierende Herausforderungen dagegen: Spätfröste, neue Schädlinge und Unreife sind dabei nur die offensichtlichsten. Die Südtiroler forschen hier für den Weinbau weltweit.
Die Vergleichsverkostung von Weiß- und Spätburgundern aus Lagen zwischen 400 und 1.000 Meter ü. NN war der praktische Vergleich zur Theorie. Zusammen kamen das Landesweingut Laimburg, Kellerei St. Michael-Eppan, Franz Haas, Gumphof und die Kellerei Meran. Auch bei den Winzern unterschiedliche Meinungen: Für Hans Terzer von der Kellerei St. Michael Eppan, der auf 50 Jahre Erfahrung zurückblicken kann, dominierten bei den vorgestellten Weinen eher die Einflüsse aus den Jahrgangsunterschieden. „Das Wetter ist einfach nicht mehr kalkulierbar.“ Schließlich sei der Klimawandel keine lineare Angelegenheit. Vielmehr müssen die Winzer sich auf immer neue Wetterextreme entstellen. Franz Haas jun. ist dennoch überzeugt, dass der Anbau in Höhenlagen der Filigranität seiner Spätburgunder zugutekommt. Sein Vater sei bereits sehr früh in die Höhe ausgewichen. Damals war der Rebenanbau rechtlich noch begrenzt auf max. 500 Meter ü. NN. Heute experimentiert er sogar mit Südhängen bis 1.350. Wenn der Pinot dort mal nicht reif werde, sei es für ihn der perfekte Grundwein für Schaumwein. Unser Fazit war: Die sensorischen Ergebnisse lassen keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu.
Nachhaltigkeit / Südtirols Agenda 2030:
Weitere Schwerpunkte waren Nachhaltigkeit im Weinbau mit den Weingütern Thomas Niedermayr, Hof Gandberg und Weingut Alois Lageder. Gereifte Weißweine verkosteten wir bei der Kellerei Schreckbichl und Weingut Ignaz Niedrist. Im futuristischen Gebäude der Kellergenossenschaft Kurtatsch und bei Weingut Tiefenbrunner wurde uns ein fortschrittliches, sehr ambitioniertes Lagenkonzept präsentiert, das uns beeindruckte (bis ins Detail durchdachte Einzellagen für bestimmte Rebsorten mit passendem Höhenprofil). Zum Dinner brachten die Elsacktaler Weingüter Pitzner und Prackfolerhof echte Geheimtipps mit. Zum krönenden Abschluss im Seehotel Ambach genossen wir Iconwines der Südtiroler Weinszene: Willi Stürtz von der Cantina Tramin (2022 Nussbaumer Gewürztraminer zum Carado Risotto mit Safran und Lakritze) und Graf Go Goëss-Enzenberg vom Weingut Manincor (2016 Castel Campan – zum Bio-Rindfilet mit Kräuter-Hollandaise, Sellerie und Kartoffel Cannolo).
Wir fuhren vollgepackt mit positiven Eindrücken wieder nach Hause: Hochwertige Südtiroler Weine, hervorragende Südtiroler Küche, wissenschaftlicher Diskurs! Unser SU-Partner Südtirol ist das perfekte Gastgeberland. Kein Wunder, dass unsere Gäste und Kunden hier so gerne Urlaub machen.
Text: Inge Mainzer
Teilnehmerstimmen:
Hannes Harbich
(We1ns, Erding):
“Durch das direkte Gespräch mit den Winzern, die Begehung der Weingärten und den Einblick in ihr Schaffen bekamen wir einen super Gesamteindruck. Es wird mir leichtfallen, diesen im Gedächtnis zu behalten und an die Gäste weitergeben zu können.”
Anna Esser
(Kinfelts Kitchen, Hamburg):
“Die Reise war unglaublich spannend für mich. Als Newbie wurde ich sehr herzlich in die Gruppe aufgenommen und habe viele Kollegen kennengelernt. Die Vielfältigkeit des Programms hat mich sehr beeindruckt: So ein intensiver Einblick in Rebsorten, Klima, Kulinarik, Nachhaltigkeit – das war schon sehr besonders. Vielen Dank!”
Melanie Behl
(Behl’s Genusshotel, Blankenbach):
“Die Weinreise war für mich eine Quelle tiefer Inspiration und fachlicher Bereicherung. Die atemberaubende Landschaft mit ihren majestätischen Bergen diente als perfekte Kulisse. Der direkte Kontakt zu den Winzern, mit ihrem Wissen über extrem vielfältige Böden und Lagen, war besonders spannend.”
Vorgestellte Weingüter:
Thomas Niedermayr Hof Gandberg, Weingut Alois Lageder, Ansitz Waldgries, Weingut Griesbauerhof, Weingut Obermoser, Weingut Larcherhof, Kellerei Girlan, Weingut Andi Sölva, Weingut Rittershof, Weingut Castel Sallegg, Kellerei Schreckbichl, Weingut Ignaz Niedrist, Kellerei Kurtatsch, Weingut Tiefenbrunner/Turmhof, Prackfolerhof, Weingut Pitzner, Landesweingut Laimburg, Kellerei St. Michael-Eppan, Franz Haas, Gump Hof, Kellerei Meran, Manincor, Kellerei Tramin