Mitglieder-Reise der SU ins Bordeaux im September 2021
Von renommierten Châteaux, weniger bekannten Familienbetrieben und Speedtastings mitten in der Ernte des aussergewöhnlich fordernden Jahrgangs 2021. 24 Sommeliers konnten in nur 4 intensiven Tagen einen guten Eindruck des weltbekanntesten Weinbaugebiets gewinnen.
Müde waren wir alle am 4. Tag. Das war sicher eines der intensivsten Reiseprogramme der Sommelier Union in den letzten Jahren. Doch jede Minute hat sich gelohnt.
Ein Highlight gleich zum Auftakt war zweifellos der Empfang auf Château du Tertre. Nach einer sehr kurzweiligen und anschaulichen Einführung durch den Weinbauverband Bordeaux wurden wir zum Abendessen in der Orangerie des beeindruckenden Château empfangen. Ab dem nächsten Morgen ging alles Schlag auf Schlag.
Shahzad Talukder (Restaurant Lea Linster) fasst die Reise wie folgt zusammen: „Ein rundum gelungener Trip, bestens organisiert und absolut durchdacht. Nicht nur die Global-Player standen auf dem Programm. Im Gegenteil, vom 5ha Individualisten über den „Regelbetrieb“ Cru Bourgeois bis hin zum 1er Grand Cru Classé war alles präsent und vertreten. Ein Unglaubliches Tempo (beginnend mit der 10 Uhr Verkostung von > 40 Weinen verschiedener Appellationen) und Engagement der Winzer und Weingüter. Eine hervorragende Informationsdichte und natürlich auch die Professionalität der Teilnehmer haben diese Reise einzigartig gemacht.„
Heike Philipp (Restaurant Philipp): „Wir haben herzliche, familiäre und sympathische Menschen, engagierte Winemaker und mondäne Châteaux kennengelernt. Ganz automatisch sind wir zu Botschaftern des Bordelais geworden und haben ab jetzt beim Öffnen jeder Weinflasche aus dem Bordeaux diese Begegnungen und Erlebnisse im Kopf.„
Rakhshan Zhouleh (Vinavis): „Das Programm war eine gelungene Vielfalt aus Tradition und Entdeckung, Biodynamie und Innovation. Mich hat die offene Atmosphäre und Gastfreundschaft der Weingüter, ob Luxusweingut oder kleines Familienweingut, sehr begeistert. Die kulinarische Begleitung zu den Weinen war außergewöhnlich gut.“
Unerwartet familiär und nahbar hat sich das Bordelais uns immer wieder präsentiert. Vom Mittagessen mit den Eigentümern von Château de Lamarque, in deren privaten Räumen bis hin zur persönlichen Schatzkammer von Château Smith Haut Lafitte. Sehr familiär war es auch bei Thierry von Château Daugay, einem aufstrebendem Newcomer des Saint Emilion. Trotz des vorgezogenen Lesebeginns am Folgetag hat er sich Zeit für einen regen Austausch über seinen speziellen Blick auf die Zukunft der Bordeaux Weine und ein ausführliches Abendessen mit uns genommen. Mit ‚Le Piaf 2019‘, einem 100%igen Merlot aus dem Stahltank und völlig unkonventioneller Aufmachung hat er uns alle sehr positiv überrascht. So auch der 2019er Ceres von Claire Villars-Lurton – unfiltriert und ohne Schwefelzusatz. Bordeaux geht viele neue Wege. Das konnten wir klar erkennen – und erschmecken. Früher zugänglich – bei langer Lagerfähigkeit ist an vielen Stellen die Devise. So haben wir immer wieder mit den Kellermeistern diskutiert über den Einfluß von Rebsortenanteilen, von Biologischem Anbau, Laubmanagement, Gebindematerialien, Vergärungsformen, Remontage, Racking, Schwefelreduktion – und sogar über neu/alte Rebsorten, die dem Klimawandel besser gewachsen sein könnten. Jedes Gut hat seine ganz eigene Interpretation. Und es gibt so viele Stellschrauben während des ganzen Prozesses der Weinwerdung, dass so viele unterschiedliche Stilistiken nebeneinander existieren.
Und täglich grüßt das Speed-Tasting
Drei Unterregionen in drei Tagen. Unmöglich? Die von Crus et Domaines de France täglich zusammengestellten Proben diverser Weingüter des jeweiligen Gebiets haben es möglich gemacht. So konnten wir im jeweiligen Gebiet einen repräsentativen Querschnitt der Weine verkosten. Einige Hidden Gems wurden hier von den Sommeliers für den Ausschank zu Hause entdeckt.
Besonders erwähnenswert war auch der Empfang auf Château Phélan Ségur durch die zauberhafte Veronique Dausse. Am Ende des mit Kerzen beleuchteten Kellergangs wartete eine Fassprobe des 2020er Jahrgangs auf uns bevor wir ein einer Masterclass die Vertikalverkostung die Jahrgänge 2019 – 2014 degustieren und mit dem Kellermeister besprechen durften. Zum Abschluss des sterneverdächtigen Abendessens durften wir uns an einem Mystery-Wein versuchen. Nach einigen Annährungsversuchen, ist es tatsächlich gelungen den Jahrgang korrekt zuzuordnen – ganz entspannt und mit viel Freude beim ‚raten‘.
Auf Château d’Yquem konnten wir in den Weinbergen den Trauben praktisch beim Einschrumpfen zuschauen. Genau jetzt ist der Zeitpunkt in dem der Botrytispilz praktisch stündlich weiter fortschreitet und aus goldenen Beeren braun-graue Geschmacksbomben entwickelt. Wenn man ein Mal – wie wir – zu diesem Zeitpunkt in diesem besonderen Mikroklima genau zu dem Zeitpunkt gestanden und die Beeren beurteilt hat, rutscht das Verständnis für Sautern Weine automatisch eine Etage tiefer in der eigenen Erkenntnis. Noch eine Etage tiefer verankerte sich dann unser Verständnis durch die anschließende Probe mit 8 verschiedenen Sautern Winzern, die uns jeweils einen jungen und einen gereiften Jahrgang ihrer goldenen Essenzen zu Verkostung darboten. Getoppt wurde das Ganz durch ein perfektes Foodpairing zu den Sautern Weinen von Entré bis Dessert. Das kann man einfach nicht aus Büchern lernen. Genau dafür machen wir diese Reisen.
2021 wird auch im Bordeaux ein besonderer Jahrgang. Große Herausforderungen liegen hinter den Winzern. Spätfröste, Hagel, Mehltau und Botrytis. In diesem Jahr hat die Natur die Winzern vor viel Herausforderungen gestellt. Um so mehr hat uns beeindruckt, was wir auf einigen Gütern bei der Ernte und Traubenannahme beobachten konnten. Im Bordeaux hat man an verschiedenen Stellen der Lese und Traubenverarbeitung manuelle, optische und technische Formen der Selektion eingebaut. So dass am Ende nur die Qualität in den Gärtank kommt, die dort auch hinein gehört. Folglich wird 2021 von der quantitativen Seite ein außergewöhnlich kleiner Jahrgang. Bleibt abzuwarten, welche Charakteristik die Reife dieses ebenfalls außergewöhnlich kühlen Jahrgangs mit sich bringt.
Inge Mainzer, inge.mainzer@sommelier-union.de
Bordeaux-Reise 26-30.09.2021
Gastgeber und Programm
LINKES UFER – RIVE GAUCHE MEDOC
- Château Du Tertre, Margaux – Empfang, Einführung durch den Bordeaux Weinbauverband, Besichtigung, Verkostung, Dîner
- Château Durfort Vivens, Château Ferriere, Château Haut Bages; Margaux – Besichtigung und Verkostung
- Château De LAMARQUE, Lamarque (Haut-Médoc) – Besichtigung und Verkostung
- Château du CARTILLON, Speed Tasting unterschiedlicher Weingüter des Médoc
- Château Branaire Ducru, St. Estèphe, Besichtigung und Verkostung
- Château PHELAN SEGUR, Saint-Julien Besichtigung, Faßprobe, Masterclass, Diner
RECHTES UFER – RIVE DROITE
- Château Cantin – Speed Tasting unterschiedlicher Weingüter aus Saint Emilion, Saint Emilion Grand Cru, Pomerol,Lalande-de-Pomerol; BBQ
- Château Beau Sejour Bécot, Saint-Émilion Grand Cru
- Château Angélus, 1er Grand Cru Classé A, Saint-Emilion
- Château Daugay, Saint-Emilion Grand Cru, Besichtigung, Verkostung und Abendessen
BORDEAUX, GRAVES & SAUTERNES
- Château Saint Robert, Graves – Speed Tasting unterschiedlicher Weingüter aus Entre deux Mers, Bordeaux blancs/rouges, Graves blancs/rouges, Pessac-Léognan
- Château D’Yquem – Besichtigung und Verkostung
- Château DOISY DAENE Dégustation 8 verschiedener Sauternes Produzenten inkl. Food Pairing
- Château Haut Bailly – Besichtigung der neuen Kelleranlage & Verkostung diverser Jahrgänge
- Château Smith Haut Lafitte – Besichtigung (inkl. Küferei), Verkostung und Diner
DANKE an Crus et Domaines de France für die großzügige Unterstützung und perfekte Organisation. Vor allem an Tobias Lassak und Delphine Dequick für die konstruktive Planung und perfekte Umsetzung. An alle Winzer:innen und Gastgeber:innen und an die 24 motivierten Teilnehmer:innen.