Der Reichtum des ungezähmten Flusses
Mitglieder-Reise der SU an die Loire: von kleinen-feinen und klassischen Appellationen, dem Klimawande, Schlössern und Tuffsteinkellern.
Selbstbewusstsein! Die Winzer der Appellation Touraine Chenonceaux bewirtschaften eine kleine nur 100 Hektar große Rebfäche am Flüsschen Cher, zugehörig zum Loire-Tal. Erst vor zehn Jahren haben sie ihre eigene, neue Appellation ins Leben gerufen. Sie unterscheiden sich mit einem klaren Profil von der längst etablierten – und 55 mal größeren – AOP Touraine. Bei der Verkostung am ersten Abend erscheinen die Sauvignon Blancs zunächst zwar weniger expressiv, sind aber insgesamt deutlich vielschichtiger und fungieren hervorragend als Begleiter zu Speisen, zum Beispiel zum Craved Lachs an Saint Maure de Touraine und Rote Beete Pürée mit salzigem Popcorn.
Von 12,5 auf 14 % vol. in drei Tagen
Das immer wiederkehrende Thema der Reise: der Klimawandel. Winzerin Patricia Denis von der Domaine de la Renaudie berichtete beispielsweise, wie sie im Herbst 2020 die aromatische Reife ihrer Sauvignon-Trauben abwarten wollte. Innerhalb von nur drei Tagen stieg allerdings der potenzielle Alkohol von 12,5 auf 14 % vol. Noch können diese hohen Werte vor allem bei den säurebetonten weißen Rebsorten der Loire gut eingebunden werden. Luc Poullain, der Präsident der neu geschaffenen AOP sagte, er sei sich jedoch nicht mehr sicher, ob Sauvignon Blanc bei weiterer Erwärmung in 20 Jahren an der Loire noch angebaut wird. Alkohol- und Säurewerte sind für Christophe Chevreau von der Domaine Vigneau Chevreau im Vouvray in diesem Jahr das kleinste Problem: Frost im April, Hagel im Juni und der aktuelle Mehltaubefall lassen ihn einen 75-prozentigen Ernteausfall erwarten. Zum Glück seien die letzten vier Jahre deutlich weniger herausfordernd gewesen.
Wilder Fluss, Vielfalt im Glas
Die Loire mit 1.000 Kilometern Länge ist Europas letzter ungezähmter Wasserlauf. Das Herzstück des Flusslaufes – zwischen Sully-sur-Loire und Chalonnes – ist seit 2000 Weltkulturerbe der UNESCO. Genau in diesem Abschnitt hat sich die Sommeliergruppe bewegt. Für Teilnehmerin Maria-Anna Wimmer vom Bremer Weinkolleg ist die Loire Vielfalt pur: „In drei Tagen haben wir uns durch verschiedene Herkünfte und Rebsorten gekostet, spannende Winzerpersönlichkeiten kennengelernt, viel gefragt und noch mehr aufgeschrieben. Rebsorten wie Chenin Blanc und Cabernet Franc, Sauvignon Blanc und Malbec sind die Stars. Im Glas prickelt und glänzt es in allen Farben und Geschmacksrichtungen. Die Vielfalt ist klar in Appellationen gegliedert, die man einfach verstehen kann. Doch das Schönste auf jeder Reise ist der intensive Austausch mit den Kollegen“.
Immer mehr Bio-Winzer
Der Anteil der biologisch arbeitenden Winzern ist mit über 20 Prozent bereits übermäßig hoch, Tendenz steigend. Biodynamie-Pionier Thierry Germain von der Domaine Des Roches Neuves hat in den 1990er Jahren seine Heimat Bordeaux verlassen, um an der – aus seiner Sicht viel spannenderen Loire – herausragende und lebendige Weine zu vinifizieren. Neben Chenin Blanc produziert Thierry Germain inzwischen überwiegend Cabernet Franc. Erst seit 2006 ist er mit den Ergebnissen des Cabernet Franc zufrieden. Dabei wiederum haben auch Aspekte des Klimawandels geholfen: Nur, wenn die Rebsorte die nötige phenolische Reife und Komplexität erreicht, ist das Resultat für ihn groß genug. Seine Weine reifen im Felsenkeller! Über Monate hat er die Gänge im Tuffstein-Felsen freigelegt. Hier unten herrscht nicht nur das perfekt, konstante Klima; sondern auch eine ganz spezielle, nicht zu beschreibende Energie. Teilnehmerin Ilka Seiter von der Traube Tonbach war zum ersten Mal bei einer SU-Reise dabei: „An die beeindruckenden uralten Felsenkeller, die so viel Geschichte und Charisma in sich tragen, werde ich noch lange zurückdenken. Voller Ehrfurcht ging ich durch die Gänge. Es hätte nicht deutlicher werden können, wie wirklich jeder Winzer – ob biodynamisch, biologisch oder konventionell – seine ganz eigene Philosophie und Herangehensweise hat“. Sebastian Bordthäuser fand die Auswahl der Betriebe spannend: „Die Entwicklung Richtung Bio-Weinbau wird offenbar auch vom Verband wahrgenommen. Darüber hinaus zeigte sich wiederum, dass – neben der Bewirtschaftung – der Mensch als entscheidender Faktor in der Gleichung Terroir nicht zu unterschätzen ist“.
Vielschichtige Rote und elegante Crémants
Überhaupt: Es gibt sie noch – die ungeschminkten Roten ohne zu viel Holzeinfluss, mit vielschichtiger Aromatik, eleganter Dichte und eigenbürtiger, filigraner Tanninstruktur. Und zwar hier. Hervorragende Essensbegleiter mit eigenständiger, kühler Stilistik und das zu einem mehr als überzeugenden Preis-Leistungsverhältnis. Allen voran natürlich der Cabernet Franc der jeweiligen Appellationen. Besondere Überraschungen in dieser Kategorie waren aber die autocthonen Pineau d’Aunis von Baudry Dutour sowie der Grolleau Penser Nature von Château Passavant. Ein Highlight der Reise war sicherlich auch die abendliche, exklusive Crémant Messe im Innenhof von Langlois-Chateau. Insgesamt sieben Häuser stellten ihre Crémants aus dem Schaumweinzentrum Saumur vor. Dazu wurden köstliche Loire-Tapas als perfektes Pairing gereicht. Es war ein Fest!
DANKE an Hélène Kermorvant von InterLoire. An Jan Zorgati von der Agentur ff.k. An alle Winzer:innen und Gastgeber:innen. An die 20 motivierten Teilnehmer:innen.
Loire-Reise 25-28.07.2021
Gastgeber und Programm
- Auf Château Fontenay: Verkostung und Themendîner mit sechs Winzern der Appellation Touraine-Chenonceaux
- Domaine Vigneau-Chevreau (Appellations Vouvray)
- Château de la Grille (Appellations Chinon)
- Domaine Laurent Mabileau (Appellations Saint-Nicolas-de-Bourgueil)
- Langlois-Chateau: Winzermesse und Themendîner Crémant de Loire (Appellation Saumur)
- Domaine des Roches Neuves und Domaine de Chaintres (Appellation Saumur-champigny)
- Château de Fesles (Appellations Cabernet d’anjou, Bonnezeaux, Coteaux du layon)
- Themendîner mit fünf Domaines der Appellationen Muscadet und Sevré et Maine
- Château de Passavant (Appellations Anjou, Cabernet d’anjou, Coteaux du layon)