Amber ist das neue Weiß
Georgien – eine Reise zu den Ursprüngen der Weinkultur
Dieses Mal war alles anders. In der Ausschreibung hatte es geheißen: „… Georgien … lässt sich nicht mit westeuropäischen Ländern vergleichen … ungepflasterte Straßen, plötzliche Gesangs- und Tanzeinlagen an den Nachbartischen … sollten für Sie kein Grund sein sich die Reisestimmung trüben zu lassen. Ausserdem sollten Sie eine Affinität zu naturnaher, traditionell bodenständiger Weinproduktion haben und vor unfiltrierten Orange-Weinen nicht zurückschrecken. Dafür dürfen Sie sich auf ein kleines Abenteuer freuen.“ Wir waren also vorgewarnt, als wir über ungepflasterte Straßen holperten, in staubigen Kellern, die so eng waren, dass wir kaum alle hineinpassten, Weine verkosteten, zusammengepfercht unter Wallnussbäumen, in einer ehemaligen Kolchose zwischen russischen Stahltanks … und immer wieder diese bernsteinfarbene Essenz in unseren Gläsern mal mehr mal weniger funkelnd.
Der vergorene Saft unaussprechlicher Rebsorten, hergestellt wie schon vor Jahrtausenden, ohne Chemie, ohne Maschinen. Die Weine reifen in Tonamphoren, die in der Erde vergraben sind. Dort werden sie samt Stielen und Stengeln über Monate sich selbst überlassen. Niemand schönt, niemand filtriert, niemand gibt Schwefel dazu. Von Orange-Weinen spricht dort übrigens niemand. Die Rede ist immer von Amber, englisch für Bernstein.
Natürlich fordern uns diese Weine! Bizzare Aromatik und ungewöhnliches, von Gerbstoffen geprägtes Mundgefühl berühren uns, teilweise noch Stunden danach. Wir diskutieren wie wohl auf kaum einer anderen Weinreise. Gibt es dafür einen Markt? Oder ist das nurmehr interessante Folklore? Mit den Erläuterungen der Winzer sind diese Erfahrungen an Erkenntnisgewinn allerdings kaum zu übertreffen.
Auf jeden Fall sind diese Weine eine so bedeutende Tradition, dass der Ausbau im Qvevri (georgisch für Tonamphore) 2013 von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannt wurde. Diese Art Weine zu machen, bestimmt den Lebensstil der lokalen Gemeinschaften und ist ein untrennbarer Bestandteil der kulturellen Identität Georgiens.
Seitdem die Naturweinbewegung Fahrt aufgenommen hat, produzieren auch wieder mehr große Kellereien Amphorenweine. Da dies aber sehr aufwändig und teilweise riskant ist, sind Qvevri-Weine nicht deren Hauptgeschäft. Der weit größte Teil der Trauben die auf den etwa 60.000 Hektar des Landes wachsen wird in Georgien nach internationalen Standards vinifiziert. Selbstverständlich haben wir auch solche Betriebe – wie Chateau Mukhrani, Schuchmann Wines und Cooperative Kindzmaraulil – besucht und uns in vertrauten Sphären zwischen Edelstahltanks, Barriques und Filtrationsanlagen bewegt.
Kulinarisch wurden wir täglich mit traditioneller Speisen an typischen georgischen Tafeln (Supra) verwöhnt. Auch kulturell war unser Programm reichhaltig gefüllt: Kirchen und Kathedralen aus verschiedenen Epochen, ein Bauernmarkt, einer der letzten Qvevri-Töpfer, eine Rebschule mit mehr als 500 autochthonen Rebsorten. Einen ganzen Tag widmeten wir der sehr westlich wirkenden, vibrierenden Hauptstadt Tiflis, die von ihren Bewohnern liebevoll Tbilissi genannt wird. Dort eröffnen derzeit so viele Weinbars, dass (Natur-)Weinliebhaber sich tagelang durch die georgischen Weine probieren können.
Ein ganz herzliches Dankeschön geht an die Familien Nika Bakhia, Naotari, Iago Bitarishvili, John Wurdeman und Avtandil Bedenashvili. Vor allem aber an Rainer Kaufmann von Erka Reisen, der mit seinem Team diese einmalige Reise erst möglich gemacht und uns professionell begleitet hat.