Lotte Wolf
Die Welt der Weine ist nach wie vor eine Männerdomäne, daher freut es mich umso mehr, dass die Zahl der weiblichen Spitzensommeliers jeden Tag größer wird. Ich sehe auch keinen Grund, der Frauen davon abhält, tiefer in die Welt der Weine und Spirituosen einzutauchen. Ich bin, wie gesagt, sehr froh, dass sich die Zeiten ändern und Frauen ihren Platz in diesem Berufsfeld finden. Außerdem heißt es, dass Frauen einen besseren Geschmackssinn besitzen …
Wie dem auch sei, ich habe bereits die Chance ergriffen und einige führende Frauen der Branche interviewt. Für mein heutiges Interview hatte ich das Glück, der wunderbaren niederländischen Sommelière Lotte Wolf ein paar Fragen zu stellen.
Ich finde es interessant, dass Lotte eigentlich Önologin ist und erst im Anschluss Sommelière wurde. Normalerweise ist es andersherum. Lotte entdeckte ihre Leidenschaft für Wein auf einer Neuseelandreise, die mit 18 Jahren ganz allein unternahm. Daher ist es wohl wenig überraschend, dass Neuseeland eines ihrer Lieblingsweinländer ist.
Nach diesem einschneidenden Erlebnis legte Lotte eine beachtliche Karriere hin. Ihre ersten Erfahrungen sammelte sie Assistant Sommelier in Jamie Oliver’s Fifteen Restaurant in Amsterdam. Sie war begeistert von dessen Chefsommelier, der so gar nicht dem Klischee eines langweiligen und steifen Sommeliers entsprach. Lotte beschreibt ihn vielmehr als „australischen Surfertypen“.
Von da an ging es mit ihrer Karriere steil bergauf. Ihre nächste Station war das Seinpost* in Den Hag, gefolgt von einer Anstellung als Sommelière im t’Zilte**, wo sie mit Spitzengastronomie in Kontakt kam. Der vorläufige Höhepunkt ihrer Karriere (und das mit 23!) war der Posten als Chefsommelière im Oud Sluis***. Als das Oud Sluis vor einiger Zeit schloss, wechselte Lotte in die Zwei-Sterne-Restaurants von Sergio Herman, Pure C und The Jane.
Obwohl ich sicher bin, dass sie ihre Arbeit als Sommelière gerne macht, beeinflusst sie auch ihr Hintergrund als Önologin, der sie dazu inspirierte, zusammen mit John Meyer in Südafrika, genauer gesagt in Swartland, Wein herzustellen. Dabei unterstützen sich die beiden gegenseitig: Lotte geht John mit seinem Wein zur Hand und John hilft wiederum Lotte bei der Herstellung ihres eigenen Weins. Noch hat dieser Wein zwar keinen Namen, aber ich möchte mich hiermit schonmal als Tester freiwillig melden.
Doch schon bald zog es Lotte zurück in ihre niederländische Heimat, wo sie zurzeit als Chefsommelière im Sofitel Legend Luxushotel The Grand Amsterdam tätig ist. Für Lotte ist eben nur das Beste gut genug.
Ich belasse es jetzt dabei und wünsche Ihnen gute Unterhaltung!
Das Interview
Mit welcher Weinregion arbeiten Sie am liebsten?
Da fällt mir nur Swartland ein. Nicht nur, weil ich dort selbst Wein anbaue, sondern vor allem, weil es eine großartige Region mit jungen und inspirierenden Winzern ist. Keine Grenzen, keine Regeln, kein Limit – alle versuchen auf ihre eigene Weise das Beste aus den Trauben herauszuholen.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, um ein guter Sommelier zu sein?
Zuerst einmal Leidenschaft, denn ohne Leidenschaft wird man an diesem Beruf keine Freude habe. Zweitens benötigt man einen inneren Antrieb, den Wunsch, immer noch einen Schritt weiter zu gehen. Auch Menschenkenntnis ist sehr wichtig, da man anhand einiger weniger Frage erkennen können muss, was den Gästen gefallen könnte.
Wird der Beruf des Sommeliers unterschätzt bzw. zu wenig gewürdigt?
Auf eine gewisse Weise schon. In den ganzen Fernsehkochshows geht es immer um die Köche. Das ist schön und gut, aber es geht nie um die Leute, die in einem Restaurant an vorderster Front stehen. Geht man in ein Restaurant, dann ist der Service elementar und man hat viel Kontakt zum Sommelier. Ich denke, dass die Köche dem zustimmen würden: Das Zusammenspiel des Essens mit dem Wein ist sehr wichtig. Wir Sommeliers machen eine Rechnung auf, in der 1+1=3 ist. Wenn man essen geht, möchte man einen tollen Abend in einer ansprechenden Umgebung verleben, dazu vorzügliches Essen und hervorragenden Wein genießen und erwartet erstklassigen Service.
Wann und wo haben Sie Ihre Leidenschaft für Wein entdeckt?
Eigentlich fing alles in Neuseeland an: Mit 18 reiste ich als Backpackerin dorthin und arbeitete schließlich in einem Restaurant in Marlborough. Ich wurde eingestellt, obwohl ich keinerlei Berufserfahrung hatte. Sie brachten mir viel über Wein bei und ich durfte sogar deren Weingüter besuchen, sodass sich das große Puzzle Stück für Stück zusammensetzte. Das Terroir, der Boden, die Winzer, all die Feinheiten und die von Jahr zu Jahr unterschiedlichen Gegebenheiten. Die Art, auf die Wein und Essen harmonieren, oder eben auch nicht. Es ist fabelhaft zu sehen und zu erleben, was man mit Wein alles machen kann. Die Leute, die ich in Neuseeland getroffen habe, waren mit so viel Leidenschaft bei der Sache, dass ich gar nicht anders konnte, als diese Leidenschaft zu teilen und mich auch zu verlieben. Ich musste zwar in die Niederlande zurückkehren, aber ich wusste sofort, welchen Karrierepfad ich einschlagen wollte!
Wer ist Ihr großes Vorbild in der Welt der Weine und Sommeliers?
Es ist eigentlich gar kein Sommelier, sondern der Schriftsteller Jamie Goode, der für mich eine große Inspiration ist. Meine anderen Vorbilder sind Winzer: Thibault Ligier-Belair und Eben Sadie.
Wie gehen Sie vor, um den perfekten Wein (oder das perfekte Getränk) für ein Gericht auszuwählen?
Für mich ist das Ganze ein Spiel. Gibt es ein Menü, will man nicht immer, dass alles harmoniert. Manchmal will man ein wenig provozieren, das Gericht interessanter machen, aber man sollte es nicht übertreiben. Es ist ein Drahtseilakt zwischen Zusammenspiel, Harmonie und Herausforderung. Ziel ist, dass es aufeinander aufbaut. Es ist eine Wissenschaft für sich. Natürlich wird meistens mit Wein kombiniert, aber auch Cider, Tee oder sogar Beer können hin und wieder die gelungenste Kombination darstellen. Daher scheue ich mich nicht, das gewohnte Terrain ab und an zu verlassen.
In welcher Weinregion würden Sie jedem einen Besuch empfehlen und warum?
Natürlich kann ich nur Swartland in Südafrika empfehlen, aber mein Lieblingsort ist Central Otago in Neuseeland. Die Weine von dort sind außergewöhnlich, die Menschen unwahrscheinlich freundlich und die Landschaft traumhaft! Ich denke aber auch, dass jeder Weinliebhaber einmal Burgund, das gelobte Land des Weins, besucht haben sollte.
Um welchen Wein zu probieren würden Sie ein großes Opfer bringen?
Durch meine Zeit in der Oud Sluis*** bin ich ziemlich verwöhnt, denn ich konnte alle Weine probieren, die wir auf der Karte hatten. Allerdings habe ich nie den einen Wein probiert, der mich heute besonders reizt: Einen 1998er Bollinger Vieille Vignes Francaises. Als die Oud Sluis geschlossen wurde, verkauften wir einfach alle Flaschen.
Was ist Ihre Lieblingserinnerung an Ihre Ausbildung?
Ich habe keine Hotelfachausbildung gemacht. Ich bin Vinoloog, das bedeutet, ich habe eine Fachausbildung an einer niederländischen Weinakademie (Wijnacadmie) absolviert. Nach meinem Aufenthalt in Neuseeland nahm ich jedoch eine Stelle in einem Restaurant an. Mit 20 arbeitete ich als Sommelière im Restaurant Seinpost* und mit 23 wechselte ich in das Drei-Sterne-Restaurant Oud Sluis. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich meine Leidenschaft für Wein bereits so früh gefunden habe.
Ein kulinarisches Erlebnis, dass jeder einmal gemacht haben sollte – abgesehen von einem Essen in Ihrem Restaurant?
Da ich es gerne süß mag, empfehle ich eine köstliche Torte mit einem sehr alten Madeirawein. Zum Beispiel einen 1978er Barbeito Sercial oder einen Portwein aus dem Quinta de Vale de Maria. Ich liebe auch prickelnden Shiraz aus Rockford, Australien. Das ist irgendwie eigentümlich, aber wirklich gut! Sehr schade, dass man so einen in Europa nur schwer findet.