Arũnas Starkus
Es ist allgemein bekannt, dass der Beruf des Sommeliers in den meisten Ländern nicht gebührend gewürdigt wird. Aber dass das auch auf unsere Nachbarländer zutrifft, überrascht mich immer wieder. Naja, ich weiß, dass wir in Belgien in vielen Punkten doch sehr verwöhnt sind. Zum Glück ist aber in jedem dieser Länder jemand zu finden, der für die Anerkennung der Sommeliers kämpft und für Weinthemen eintritt. In Litauen ist diese besondere Person Arũnas Starkus.
Arũnas Starkus, der mit einem Doctor of Philosophy (PhD) eigentlich eine akademische Karriere eingeschlagen hatte, gründete 2005 die Lithuanian Sommelier Association (LSA) und ein Jahr später die Lithuanian Sommelier School. Das klingt nicht nach einer großen Sache, ist aber etwas ganz Besonderes! Arũnas hat für viele (junge) Leute Türen geöffnet und dafür bewundere ich ihn sehr. Heute, zehn Jahre später, sieht die Wein- und Sommelierszene in Litauen bereits ganz anders aus.
Er liebt Wein, ist aber auch ganz Akademiker geblieben. Arũnas ist Herausgeber der litauischen Ausgabe von Sotheby’s Wine Encyclopedia und ist Mitglied im ASI Ausbildungskomitee. Ich würde sagen, damit vereint er das Beste aus beiden Welten. Nebenbei organisiert er noch weitere Wettbewerbe und Veranstaltungen, um Wein und das Sommelierhandwerk in Litauen bekannter zu machen. Zusätzlich zu seinen Aktivitäten in der Ausbildung leite Arũnas seinen eigenen Importhandel (Vyno Klubas), über den er namhafte Weine aus der ganzen Welt verkauft. In der wenigen Zeit, die ihm dann noch zur Verfügung steht, ist er als Chefradakteur für ein litauisches Weinmagazin tätig. Wir haben es also mit einem äußerst umtriebigen Mann zu tun und daher bin ich umso glücklicher, dass er sich die Zeit für dieses Interview genommen hat.
Prost!
Das Interview
Mit welcher Weinregion arbeiten Sie am liebsten?
Zum Glück ist die Welt des Weines so groß, dass man jede Woche einen neuen Favoriten finden kann, was ich bereits seit 14 Jahren praktiziere. In den kalten Wintermonaten habe ich dieses Jahr gerne Sangiovese aus der Toskana verkauft. Diese Weine sind sehr universell und schmackhaft zum Essen. Die Region ist stark von ihrer Geschichte und Kultur geprägt, sodass der Wein zusätzlich zum kulinarischen Erlebnis auch viele Erinnerungen und Assoziationen transportiert.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, um ein guter Sommelier zu sein?
Um ein guter Sommelier zu sein, muss man zu allererst den Umgang mit Menschen mögen, denn nur dann kann man sich wirklich auf sie einstellen und ihren Geschmack und ihre Vorlieben verstehen. An zweiter Stelle steht dann selbstverständlich die Leidenschaft für Wein. Fachwissen und die richtige Technik sind wichtig, denn dieses Handwerkszeugt ermöglicht ein selbstbewusstes Auftreten im Service, was zu einer entsprechend guten Reputation in Fachkreisen führt. Aber an erster Stelle steht das positive Gefühl, dass ein Sommelier seinen Gästen vermitteln sollte.
Wird der Beruf des Sommeliers unterschätzt bzw. zu wenig gewürdigt?
Es ist schwer, darüber eine generelle Aussage zu treffen. In Litauen steigt die Nachfrage nach gutem Service und die Kunden erwarten gute Weine. Daher sind Sommeliers sehr gefragt. Wenn das Gehalt nicht ausreicht, kann man sich mit einem gelungenen Auftritt ein gutes Trinkgeld verdienen. Weniger erfolgreiche Restaurants müssen mit unerfahreneren Sommeliers auskommen. Wir haben in Litauen noch wenig Erfahrung mit dieser Branche und es gibt viele Fachkräfte, für die die Arbeit als Sommelier eigentlich Neuland ist. Daher trifft man leicht sowohl auf über- als auch auf unterschätztes Personal.
Wann und wo haben Sie Ihre Leidenschaft für Wein entdeckt?
Mit 32 entschied ich mich, meine akademische Laufbahn an der Universität gegen einen Beruf mit Bezug zu Wein zu tauschen. Das war, als ich auch selbst begann Wein zu trinken. Meine erste ernsthafte Reise nach Bordeaux und die Kurse, die ich dort an der Ecole du Vin du Bordeaux belegte, öffneten mir die Augen. Das Bouquet des Weins, den wir probierten, das Licht im Unterrichtsraum, sowie die Empfindungen von damals sind mir noch immer sehr präsent. Meine Leidenschaft wurde zu meinem Beruf.
Wer ist Ihr großes Vorbild in der Welt der Weine und Sommeliers?
Unter den Weinexperten ist Jancis Robinson mein großes Vorbild, weil sie so hart und intensiv arbeitet, mit ihrem Organisationstalent anderen hilft und wegen ihrer Leidenschaft für all die Weine und neuen Geschmackserlebnisse.
Aber ich möchte auch einige Worte des Lobes über Sören Polonius verlieren, der Arvid Rosengren trainierte, als dieser 2016 Weltmeister wurde. Sein Auftreten, sein Stil als Sommelier und seine Bescheidenheit zusammen mit seiner Fähigkeit, andere beim Erreichen ihrer Ziele zu unterstützen, machen ihn zu einem Beispiel, dem jeder nacheifern sollte.
Wie gehen Sie vor, um den perfekten Wein (oder das perfekte Getränk) für ein Gericht auszuwählen?
Ich glaube an das Wunder einer Synergie von Wein und Essen und daran, dass es eine Sünde ist, das zu verpassen. Das bedeutet, dass jede Mahlzeit einen eigenen Wein haben sollte und das jedes Mittag- oder Abendessen sowohl ein kulinarisches, als auch ein intellektuelles Erlebnis sein sollte.
In welcher Weinregion würden Sie jedem einen Besuch empfehlen und warum?
Ich denke, dass Bordeaux eine Region ist, die man sich nicht entgehen lassen sollte, denn dort trifft man auf alle Aspekte die eine Weinregion ausmachen: traditionelle Bauweise, ein aristokratisches Flair, kleine, regionale Handwerksbetriebe, eine hervorragende Infrastruktur für Weintourismus, zum Beispiel Übernachtungen in einem Château und gut geschultes Personal. Die Architektur reicht vom klassischen Château bis zu Gebäuden der Postmoderne. Weine gibt es in einer großen Bandbreite von perlend bis rot und lieblich. Die Atlantikküste mit der höchsten Sanddüne Europas und zahlreichen Austernfarmen ist auch nicht weit weg. In dieser Region kann man Wochen verbringen, ohne dass einem die Ideen für Ausflüge ausgehen. Auch die wunderschöne Stadt Bordeaux ist eine Reise wert und bietet viele Attraktionen.
Um welchen Wein zu probieren würden Sie ein großes Opfer bringen?
Für jeden Wein des 19. Jahrhunderts. Vor der Reblausplage, vor der Industrialisierung – lebendige Geschichte.
Was ist Ihre Lieblingserinnerung an Ihre Ausbildung?
Ich hatte keine formale Sommelierausbildung. Die erste Einrichtung dieser Art in Litauen war meine Erfindung. Daher hängen alle meiner Erinnerungen mit dem Unterrichten zusammen und drehen sich um das wunderbare Gefühl, dass jeder, dem man im Restaurant begegnet, ein Schüler ist.
Ein kulinarisches Erlebnis, dass jeder einmal gemacht haben sollte – abgesehen von einem Essen in Ihrem Restaurant?
Ich arbeite bereits seit sechs Jahren an der Kombination von Wein und Musik. Daher weiß ich jetzt, dass das kulinarische Erlebnis eines perfekten Ensembles aus Wein und Essen durch die richtige Musik noch weiter intensiviert werden kann.