George Kassianos
Der Grund, aus dem ich diese Kolumne begann, war, dass meiner Meinung nach immer die Köche im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, obwohl Sommeliers die gleiche Anerkennung verdienten, da sie genauso wichtig für das gastronomische Erlebnis sind wie die Köche.
In Zypern muss es einen guten Nährboden für Spitzensommeliers geben, da ich Ihnen heute einen weiteren zypriotischen Sommelier vorstellen möchte. George Kassianos ist Präsident der Sommelier-Vereinigung Zyperns und Manager sowie Chefsommelier der Luxushotelkette Thanos.
George Kassinos verbrachte bisher beinahe sein gesamtes Leben auf Zypern, hat zwischen 1984 und 1994 seine Hotelmanagementausbildung allerdings in Großbritannien absolviert. Dort wurde auch mit dem „Weinvirus“ infiziert. Nach Beendigung seiner Ausbildung blieb er weitere sechs Jahre dort, um in der Londoner Restaurantszene Erfahrung zu sammeln. Aber nach sechzehn verregneten Jahren in England sehnte George sich nach der Sonne seines Heimatlandes und beschloss auf Zypern in die Luxushotelbranche einzusteigen.
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass George eine unglaubliche Quelle des Wissens über Wein ist und dass er dieses Wissen nur zu gerne teilt, denn er schreibt für zahlreiche griechische Zeitschriften.
Ich hoffe, Sie haben viel Vergnügen beim Lesen und beim Eintauchen in die Welt dieses unglaublich inspirierenden Sommeliers!
Das Interview
Mit welcher Weinregion arbeiten Sie am liebsten?
Das war und ist noch immer Burgund, denn, mehr als jede andere Weinregion der Welt, ist Burgund durch und durch von seinem Terroir beeinflusst. Aus dem gleichen Grund belegt Barolo den zweiten Platz.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, um ein guter Sommelier zu sein?
Die Tage der hochnäsigen, eingebildeten Sommeliers mit französischem Akzent, einem silbernen Tastevin um den Hals und einem Anflug von Missbilligung im Blick, sind vorbei. Diese Meister der Einschüchterung waren perfekt darin, den gutbetuchten Dinnergästen, die kaum mehr wussten als „Rotwein zu Fleisch und Weißwein zu Fisch“ einen heillos überteuerten Wein aufzuschwatzen.
Heutzutage ist ein guter Sommelier nicht mehr so angestaubt und traditionell. Auf eine unprätentiöse Art freundlich, ist er oder sie zu gleichen Teilen Lehrer und Verkäufer, Psychologe und Diplomat. Ein guter Sommelier muss ein guter Zuhörer sein. Ethos, Pathos und Expertise vereint runden das Bild ab.
Wird der Beruf des Sommeliers unterschätzt bzw. zu wenig gewürdigt?
Ich glaube, dass der Beruf des Sommeliers unterschätzt wird. Bedienungen mögen Sommeliers nicht besonders, da sie denken, ein Sommelier arbeite weniger als sie. Ich versuche, ihnen zu zeigen, dass ich genauso hart arbeite. Das bedeutet, hin und wieder an die Tische zu gehen oder Gläser zu füllen. Aber ich muss den Bedienungen auch beibringen, selbst Wein zu verkaufen. Dafür veranstalte ich regelmäßig Weinproben für die gesamte Belegschaft. Auch Vorgesetzte, die Sommeliers einstellen, sehen den finanziellen Gewinn und den zusätzlichen Wert für das Unternehmen.
Wann und wo haben Sie Ihre Leidenschaft für Wein entdeckt?
Damals, 1984, in meinem ersten Lehrjahr in Großbritannien, lernte ich das französische Gesetz zur Zertifizierung der Herkunftsregion kennen und kaufte meine ersten Weine: einen Chablis und einen Fleurie. Mein Onkel schenkte mir ein Buch über Wein von Marks and Spencer. Es folgte meine erst Reise nach Frankreich und der Rest ist Geschichte.
Wer ist Ihr großes Vorbild in der Welt der Weine und Sommeliers?
Das kann nur Gerard Basset sein, derjenige, der jeden wichtigen Titel geholt hat und ein echter Experte ist. Ich habe seine Karriere seit den frühen 80er Jahren verfolgt und er war von je her das Maß aller Dinge und der Prototyp eines modernen Sommeliers.
Wie gehen Sie vor, um den perfekten Wein (oder das perfekte Getränk) für ein Gericht auszuwählen?
Ich kenne immer gerne zuerst den Wein und suche dann das passende Gericht aus, oder kreiere ein Gericht auf Grundlage des Weins. Gegensätze und Harmonie der Aromen funktionieren in beiden Fällen. Wenn ich einen passenden Wein zu einem Gericht finden soll, identifiziere ich die Hauptzutaten auf dem Teller und deren Aromen. Anschließend suche ich verschieden Weine aus, die infrage kommen. Der beste Weg ist zu experimentieren und mit den Kunden gewagte Kombinationen zu testen. Die Möglichkeiten sind grenzenlos.
In welcher Weinregion würden Sie jedem einen Besuch empfehlen und warum?
Das ist eine schwierige Frage, aber um den Wein zu verstehen, seine Verbindung mit der Erde und dem Klima – das Terroir also – muss es wohl Burgund sein, die herausragendste Region Frankreichs. Wie bereits erwähnt gibt es noch viele andere Regionen, die ich schätze und liebend gern besuchen möchte, dennoch bleibt Burgund meine erste Wahl.
Um welchen Wein zu probieren würden Sie ein großes Opfer bringen?
Die Liste ist endlos. Sollte ich aber je einen 1985er Richebourg finden, wäre es dieser seltene Burgunder, der von Henri Jayer geschaffen wurde, einem Winzer, der allgemein als ein Visionär in seinem Metier galt. Leider verstarb er 2006 im Alter von 84 Jahren. Der Wein wird auf etwa € 14.000 geschätzt, aber man wird ja noch träumen dürfen.
Was ist Ihre Lieblingserinnerung an Ihre Ausbildung?
Das war wahrscheinlich, als unser Team den Wettbewerb um den besten Themenabend gewann, für den wir ein eigenes Menü mit auf das Essen abgestimmten Weinen entwickeln mussten. Das war 1986 und das Motto war „Jahrzehnte“, beginnend mit den 30er Jahren bis zu den 80ern. Es gab eine Diashow über das London der letzten 50 Jahre. Ich weiß noch, dass ich alle damit schockierte, dass ich einen chilenischen Rotwein auswählte. Das Ganze fand im Dorchester Hotel statt, wo uns der großartige Küchenchef Anton Mosimann unterstützte. Auch wenn es nur zwei Tage waren, war es eine große Ehre mit diesem Mann zu arbeiten.
Ein kulinarisches Erlebnis, dass jeder einmal gemacht haben sollte – abgesehen von einem Essen in Ihrem Restaurant?
Da fallen mir hunderte Dinge ein, aber als Zypriot kann ich eine Sache wirklich empfehlen: Die Gelegenheit, echte Hausmannskost in einem kleinen Dorf, oder noch besser auf einem unserer Weingüter zu essen. Das Essen ist immer saisonal und kombiniert mit einem zypriotischen Wein. Für mich ist das ein einzigartiges Erlebnis. Es gibt immer viel zu essen; frisch, einfach und langsam gegart. Das Essen kann Stunden dauern und beinhaltet nicht selten Tanz- und Gesangseinlagen. Joie de vivre…