Edwin Raben

Für unseren heutigen Sommelier bleiben wir etwas dichter an der Heimat. Dieses Mal hatte ich das Vergnügen den niederländischen Spitzensommelier Edwin Raben zu interviewen.

Wie viele andere Spitzensommeliers kam auch Edwin bereits in jungen Jahren mit gutem Essen in Kontakt, sodass seine Begeisterung für die Gastronomie später stetig wuchs. Edwin genoss eine klassische Ausbildung im Hotelmanagement. Seine anschließende Karriere begann im Pariser Restaurant Lucas Carton***. Die nächsten Stationen waren von vergleichbarem Kaliber: La Rive*, De Zwethheul**, Wolfslaar*, um nur einige zu nennen.

Aktuell ist Edwin beschäftigter denn je. Neben seinem Amt als Vorsitzender der Dutch Gild of Sommeliers übt er eine ganze Reihe von Tätigkeiten aus, die er wundersamer und beeindruckender Weise unter einen Hut bekommt. Er unterrichtet, hält Vorträge und Präsentationen sowohl für Privatleute als auch für Geschäftskunden wie Nestlé (Nespresso, S. Pellegrino, Acqua Panna), veranstaltet Verkostungen und berät Gastronomen zu den Themen Wein, Inneneinrichtung und Finanzen. Darüber hinaus ist er für Print- und Onlinemedien als Journalist aktiv, betreibt eine Onlineweinhandlung (www.edwines.com) und so weiter und so fort. Seine Frau muss ihn wirklich lieben, denn er scheint ein sehr umtriebiger Mann zu sein.

Als wäre das alles nicht schon genug, fand er irgendwie auch noch die Zeit an nationalen und internationalen Sommelierwettbewerben teilzunehmen und Auszeichnungen abzuräumen. So gewann er etwa gleich zwei Mal den Titel „Best Sommelier of the Netherlands“ (1996 und 2006), außerdem holte er die Ruinart Challenge Trophy und erreichte einige Male das Halbfinale der ASI Weltmeisterschaft.

Edwin ist ein sehr geschätzter Mann in der Welt der Sommeliers. Ich hoffe, Sie genießen den kleinen Einblick, den dieses Interview in sein Berufsleben gewährt.

Viel Vergnügen!

Das Interview

Mit welcher Weinregion arbeiten Sie am liebsten?

Die Weinwelt ist groß und wird immer größer und komplexer. Überall werden gute Weine hergestellt. Aufgrund von Wissen, Erfahrung und Technik wachsen Stile und Geschmäcker der Weine zusammen. Ich hatte schon immer ein weites Blickfeld, um Weine aus aller Welt im Auge zu behalten. Daher fällt es mir schwer zu sagen, welche Region ich favorisiere. Bitte erspart mir die Entscheidung, welches Kind mir das liebste ist…

Was braucht es Ihrer Meinung nach, um ein guter Sommelier zu sein?

Man muss den Umgang mit Gästen wirklich lieben! Dazu braucht man Sozialkompetenz. Ein Sommelier sollte sich auf seine Gäste einstellen und vor dem Gast nicht mit seinem Wissen über einen Wein oder eine bestimmte Region prahlen. Man will dem Gast ja schließlich nicht den Abend verderben indem man ihn mit technischen Details zu Tode langweilt. Der Gast ist der Star des Abends und zahlt am Ende des Tages die Rechnung. Das muss man respektieren. Sei daher bescheiden und zurückhaltend!

Aber auch viele andere Fertigkeiten sind wichtig. Etwa die Fähigkeit, Aromen und Geschmacksstoffe zu erkennen und diese im Gedächtnis zu behalten. Kommunikationsstärke, wenn es um Wein, Getränke, oder Essen ganz allgemein geht. Zudem sind ein Händchen für den Verkauf und unternehmerisches Geschick von großer Bedeutung. Ganz besonders nach der Krise, die wir gerade erlebt haben.

Ein guter Sommelier hat viele Talente.

Wird der Beruf des Sommeliers unterschätzt bzw. zu wenig gewürdigt?

Ich denke, dass Sommeliers in meinem Land einen ganz guten Ruf genießen. Viele junge Kellner möchten später Sommeliers werden. Sie vergessen oftmals, dass es sich um eine langwierige Ausbildung handelt, die viele Jahre Erfahrung und Training erfordert. Es freut mich allerdings sagen zu können, dass jedes Jahr nicht wenige Schüler ihren Abschluss als „Gastronoom-Sommelier Level 3“ erhalten.

Wann und wo haben Sie Ihre Leidenschaft für Wein entdeckt?

Ich bin auf dem Land, an der Grenze zu Deutschland, geboren und aufgewachsen. Zu Hause haben wir Obst und Gemüse angebaut. Als Kind war ich immer ganz begeistert von den tollen Dingen, die um mich herum wuchsen und steckte mir alles in den Mund, weil ich wissen wollte, wie es riecht und schmeckt. Ich habe dann alles zu meiner Mutter in die Küche gebracht, wo wir ein leckeres Essen, Marmelade, Saft oder was auch immer daraus gemacht haben. Daher wusste ich bereits als kleiner Junge, dass ich ein berühmter Küchenchef werden wollte. Meinen ersten Wein habe ich damals in unserem kleinen Supermarkt gekauft. Einer der ersten Weine, die ich selbst probiert habe, war ein griechischer Retsina. Ich war davon begeistert.

Während meines Praktikums in der Kaatje bij de Sluis kam ich mit den besten Weinen der Welt in Berührung und konnte viele Weine probieren. Ich war völlig überrascht, weil wir zu Hause eigentlich nie Wein tranken.

Als ich 1990 Wehrdienst leistete, das war nachdem ich den Abschluss an der Hotelschool Wageningen gemacht hatte, behielt ich meinen Job als Souschef de cuisine und belegte gleichzeitig einen Kurs, um „Vinoloog van de Wijnacademie“ zu werden. Ich bestand auf Anhieb und bekam eine Vollzeitanstellung als Souschef. Zu dieser Zeit boten wir im Restaurant Kochkurse an und ausgefeilte kulinarische Kombinatorik kam Anfang der 90er in Mode. Mir machte der persönliche Umgang mit den Restaurantbesuchern sehr viel Spaß, aber ich arbeitete nun einmal gentrennt von den Gästen in der Küche. Daher entschied ich mich für einen Jobwechsel und wurde im Norden der Niederlande Assistant-Sommelier am Landgoed Lauswolt. Mit der Zeit wuchs meine Leidenschaft immer weiter.

Wer ist Ihr großes Vorbild in der Welt der Weine und Sommeliers?

Ich habe Anne Claude Leflaive oft einen Besuch in Puligny-Montrachet abgestattet. Sie hat im Gegenzug auch oft für Verkostungen die Niederlande besucht und war immer wieder in den Restaurants, in denen ich über die Jahre gearbeitet habe, zu Gast. Ich vermisse sie als eine der starken Damen in der Welt des Weins. Zu viele wunderbare Winzer sind leider bereits von uns gegangen.

Wie gehen Sie vor, um den perfekten Wein (oder das perfekte Getränk) für ein Gericht auszuwählen?

Ich nutze immer die geschmacklichen Profile von Gericht und Wein bzw. Getränk und kombiniere diese. Zusammenspiel, Schichtung, Geschmacksebene (d.h. die aromatische Intensität eines Lebensmittels) und abschließend gehe ich danach, ob die Aromen frisch und ursprünglich oder reif sind. Im Grunde arbeite ich nach der Methode von Peter Klosse.

In welcher Weinregion würden Sie jedem einen Besuch empfehlen und warum?

Oh, da gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Ich liebe es, die zauberhaften Landschaften Neuseelands zu bereisen. Hawke’s Bay, Nelson und Central Otago sind einfach großartig. Ebenso die einmalige Natur in Swartland in Südafrika und andere Regionen dieses tollen Landes mit niederländischen Einflüssen. Das Duorotal ist wundervoll und atemberaubend schön.

Um welchen Wein zu probieren würden Sie ein großes Opfer bringen?

Ich liebe Château Latour. Ich hatte noch nicht die Gelegenheit den 2010er, unter den jüngeren Jahrgängen meinen Lieblingsjahrgang Médoc, zu probieren. Ich schätze, ich muss eine Bank überfallen…

Was ist Ihre Lieblingserinnerung an Ihre Ausbildung?

Dass ich mein ausgezeichnetes Gedächtnis für Aromen während der Weinkurse nutzen konnte. Und mein Praktikum in der Kaatje bij de Sluis, wo ich mit den großartigsten Weinen in Berührung kam.

Ein kulinarisches Erlebnis, dass jeder einmal gemacht haben sollte – abgesehen von einem Essen in Ihrem Restaurant?

Da gibt es drei Möglichkeiten:

  1. Akasaka Kikunoi in Tokio. Ausgezeichnet delikate Kaiseki-Küche.
  2. Michel Bras in Laguiole. Verblüffender Ausblick, großartige Weinkarte, tadellos entspannter Service auf drei-Sterne-Niveau.
  3. Les Jules Vernes im Eiffelturm in Paris. Man sollte einen Fensterplatz reservieren, um den fantastischen Ausblick und die überragende Küche von Alain Ducasse zu genießen.

Originalbeitrag in Englisch