Jean-Vincent Ridon
Lassen Sie mich Ihnen Jean-Vincent Ridon vorstellen, dessen Beispiel zeigt, dass man alles erreichen kann, wenn man es nur wirklich will. Jean-Vincent ist kein klassisch ausgebildeter Sommelier mit einer Ausbildung in Hotelmanagement, sondern hat Rechts- und Politikwissenschaften studiert. Aber man kann sich seiner wahren Bestimmung wohl nicht entziehen. Nach Jahren als erfolgreicher französischer Geschäftsmann meldete sich Jeans Liebe zum Wein und er eröffnete im Herzen des Loiretals, in den Weinbergen nahe Sancerre ein Restaurant mit Weinbar. Von da an nahm Wein einen wichtigen Platz in seinem Leben ein.
Um 1996 tauschte er zusammen mit seiner Frau sein bisheriges Leben in Europa gegen einen Neuanfang in Südafrika, wo er sich als „fliegender Weinhändler“ betätigte. Also irgendwie eine Liebesgeschichte.
Heute mischt Jean-Vincent in so ziemlich allen Bereichen der Weinindustrie mit: als Weinbauer, Journalist, Importeur von Weinen und Zubehör, sowie als Preisrichter. Darüber hinaus ist er Gastgeber der Fernsehsendung „Extreme Pairing“, Initiator des Wettbewerbs „South African Wine Tasing Championship“ und Manager des Teams, das Südafrika bei der Weltmeisterschaft vertritt. Außerdem ist er Manager der südafrikanischen Sommelier Akademie, der ersten Ausbildungsstätte in Südafrika, die das begehrte SASA Diploma vergibt, das als einziges südafrikanisches Zertifikat durch die ASI international anerkannt ist.
Doch Jean-Vincent ist auch abseits des Weines aktiv. Auf seine Initiative entstanden 2008 KR Healthcare und die South African Academy of Health (SAAH). SAAH bietet erstklassige Fortbildungen für medizinisches Personal an und unterstützt auf diese Weise NGOs, Krankenhäuser und Patienten. Er bringt folglich seine Leidenschaft für Wein, seinen Geschäftssinn und sein soziales Engagement unter einen Hut. Wirklich bewundernswert.
Es ist eine Freude, eine so bemerkenswerte Persönlichkeit einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.
Viel Vergnügen!
Das Interview
Mit welcher Weinregion arbeiten Sie am liebsten?
Ich arbeite wirklich gerne mit einem trockenen Roussillon, normalerweise aus Grenache gris, aber ebenso mit einem alten Macabeo. Die kraftvollen Weißweine haben eine natürliche Salinität und eine Textur, die zu einer außerordentlichen Bandbreite an Gerichten passt und den Gast zugleich überrascht und eine neue Entdeckung bietet. Es ist schwer, einen Gast mit einem Puligny zu überraschen, aber ein weißer Le Soula wird immer Rückfragen anregen.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, um ein guter Sommelier zu sein?
Zuhören und verstehen. Zu viele Sommeliers wollen einen großen Auftritt hinlegen, obwohl ein guter Sommelier eigentlich Psychologe ist. Er versteht die Dynamiken an einem Tisch; wer wen einlädt oder zu verführen versucht, wer Bestätigung braucht und wer einfach seine Ruhe möchte. Wissen über Wein ist nur ein Mittel um die Antwort auf eine unausgesprochene Frage zu finden.
Wird der Beruf des Sommeliers unterschätzt bzw. zu wenig gewürdigt?
Einige Sommeliers, die es bis an die Spitze geschafft haben und eher hinter den Kulissen tätig sind, werden anständig gewürdigt, aber zwischen ihnen und einem Master of Wine ist die Grenze fließend. Ich denke jedoch, dass der weitaus überwiegende Teil der Sommeliers nicht ausreichend gewürdigt wird. Das ist der Grund, warum so viele von uns noch einer Nebentätigkeit nachgehen und etwa Kurse abhalten oder Veranstaltungen für Weinliebhaber organisieren. In den Restaurants beanspruchen die Köche das Rampenlicht für sich, da sie davon ausgehen, die Leute kämen ausschließlich wegen des Essens. Sind die wirklich so naiv?! Die Gäste wollen ein Gesamtpaket und ein guter Wein oder ein Bier kann ein durchschnittliches Essen in ein Fest für die Sinne verwandeln. Oft verbergen die Köche hinter ihrer Arroganz nur ihre Unsicherheit. Stellt man ihnen eine Woche einen Sommelier zur Seite, werden sie den großen Wert eines Sommeliers begreifen!
Wann und wo haben Sie Ihre Leidenschaft für Wein entdeckt?
Es hat angefangen als ich noch ein Kind war, denn mein Großvater arbeitete für NICOLAS, dann half ich meinem Vater in seinem Restaurant und so begann ich als Sommelier, bevor ich mein eigenes Restaurant mit Weinbar in Bué (Sancerre) eröffnete.
Wer ist Ihr großes Vorbild in der Welt der Weine und Sommeliers?
Ich denke, Andreas Larsson ist ein bewundernswerter Mann, denn er versteht, dass es für Sommeliers nicht nur darum geht, etwas über Weine zu lernen. Er hat eine natürliche Ausstrahlung und weiß die Kleinigkeiten im Leben zu schätzen. Er ist ein Energiebündel mit einer inspirierenden Persönlichkeit.
Außerdem Alphonse Mellot (Senior und Junior) in Sancerre, die beweisen, dass selbst die besten Terroirweine noch verbessert werden können, wenn man sich Zeit nimmt und sein Handwerk versteht. Zu viele Winzer folgen Trends, ohne sich vorher Gedanken zu machen, ob das zu ihnen passt. Die Familie Mellot hat ihre Position immer wieder überdacht, sodass sich ihre Weine bestmöglich weiterentwickeln konnten.
Wie gehen Sie vor, um den perfekten Wein (oder das perfekte Getränk) für ein Gericht auszuwählen?
Um zu verhindern, dass ein wunderbarer Wein das Gericht überlagert und die Gesamtkomposition leidet, lege ich Wert auf die Grundlagen und versuche das Gericht zu unterstreichen. Möchte man zum Beispiel die dezente Seite von Langusten genießen, kann man einen reifen Grand Cru aus Chablis wählen. Für das Gericht an sich mag aber ein normaler Chablis eines nicht überreifen Jahrgangs die Langusten besser unterstützen als ein alles überstrahlender Grand Cru. Einfachheit unterstreicht das Gesamtkonzept.
In welcher Weinregion würden Sie jedem einen Besuch empfehlen und warum?
Im Moseltal, denn dort kann man sehen, wie die Kraft der Natur vom Menschen gezähmt wurde. Das ergibt traumhafte Weine.
Um welchen Wein zu probieren würden Sie ein großes Opfer bringen?
Ich habe mir kürzlich ein Dinner mit Aubert de Villaine gegönnt, um die ganze Spannbreite der DRC, inklusive der alten Jahrgänge, zu probieren. Sie waren alle unvergleichlich, da sie aus diesem Landgut stammten.
Was ist Ihre Lieblingserinnerung an Ihre Ausbildung?
Ich habe als Auszubildender im Restaurant meines Vaters angefangen und wenig Zeit in der Berufsschule verbracht. Später habe ich Politikwissenschaften studiert, aber der Wein hat mich nicht losgelassen.
Ein kulinarisches Erlebnis, dass jeder einmal gemacht haben sollte – abgesehen von einem Essen in Ihrem Restaurant?
Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Besuch im El Bulli: Es revolutionierte meine Einstellung gegenüber Essen und definierte für mich das Wort „Erlebnis“ neu. Obwohl einige Köche mittlerweile etwas zu viel Wert auf den Erlebnisfaktor legen und dabei die Qualität vernachlässigen, war es damals revolutionär. Ich bin ganz klassisch mit Bocuse, Troisgros und Guerard aufgewachsen und bin nach wie vor der Meinung, dass sie den Weg zu wahrem Genuss gefunden hatten. Ferran Adria hat lediglich herausgefunden, wie man daraus eine gute Show macht. Nicht alle Köche können wie Ferran sein …