Matias Prezioso
Wir bleiben auf der anderen Seite des Ozeans, oder besser gesagt in Argentinien, um Matias Prezioso zu treffen. Er ist der Präsident der Asociación Argentina de Sommeliers (AAS) und der nächste Spitzensommelier, den wir Ihnen vorstellen möchten.
Wie Sie noch lesen werden, hat Matias seinen Abschluss eigentlich in Politikwissenschaften gemacht. Seinen Weg zum Wein fand er während einer Reise nach London, wo einige Kollegen ihn an die Welt der edlen Weine heranführten. Ich hätte nicht gedacht, dass eine Städtereise so lebensverändernd wirken kann.
Nach diesem Schlüsselerlebnis widmete Matias sich dem Wein und erlangt unter anderem ein WSET Level 3 Zertifikat und machte einen Bachelorabschluss in Marketing. Der logische nächste Schritt war es, eine Karriere als Sommelier in verschiedenen Restaurant zu beginnen. Nach wenigen Jahren entschied er sich aber eine andere Richtung einzuschlagen und im Weinhandel sowie in der Weiterbildung tätig zu werden. Dabei bekleidete Matias Positionen als Business Developer, Handelsvertreter, Vertriebs- oder Geschäftsleiter. Darüber hinaus unterrichtete er am Instituto Argentino de Gastronomía (IAG). Er konnte also in vielen Bereichen Erfahrungen sammeln und so zu dem Experten werden, der er heute ist. Zurzeit ist Matias Präsident der argentinischen Sommelier-Vereinigung und kaufmännischer Leiter bei „Wine Idea y two colors“.
Buena lectura!
Das Interview
Mit welcher Weinregion arbeiten Sie am liebsten?
Das ist nicht einfach zu beantworten. Im Allgemeinen haben Sommeliers keine Lieblingsregionen oder bevorzugte Rebsorten, weil es so viele unterschiedliche Charakteristika gibt. Das macht ja gerade die Faszination der Welt des Weines aus! Es wird nie langweilig, sondern man muss sich beständig weiterbilden, weil immer neue Weine, Regionen und Herstellungsverfahren am Horizont auftauchen.
Allerdings muss ich gestehen, dass ich eine besondere Vorliebe für Weine aus Burgund habe. Keine andere Region der Welt scheint mir wie diese die Konzepte der Komplexität und des Terroirs sowie die Winzer widerzuspiegeln. ABER, (und da bin ich nicht der einzige Sommelier) mich faszinieren auch deutsche Rieslinge. Als guter argentinischer Sommelier bin ich natürlich auch Botschafter und Liebhaber der argentinischen Weine, angeführt von Mendoza. Momentan bin ich der Ansicht, dass die Eleganz und Persönlichkeit dieser Region am besten vom Valle de Uco repräsentiert wird, von wo einige der besten Rot- und Weißweine unseres Landes stammen.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, um ein guter Sommelier zu sein?
Ich denke es bedarf einer Kombination der folgenden Eigenschaften: Man muss sachkundig sein, bescheiden und eloquent. Darüber hinaus sollte man sich auf sein Gegenüber einstellen können und Fingerspitzengefühl besitzen, um die Geschichte hinter einem Wein und seinem Hersteller zu vermitteln. Außerdem sollte man den Willen besitzen, sich jeden Tag beruflich weiterzuentwickeln. Und schließlich ist es natürlich wichtig, den Kontakt mit der Kundschaft nicht zu scheuen. Man sollte immer alles anbieten, vom einfachen Wein für den Alltag bis zum exklusiven Wein für besondere Anlässe.
Wird der Beruf des Sommeliers unterschätzt bzw. zu wenig gewürdigt?
Das kommt ganz darauf an. In Europa ist es, denke ich, ähnlich wie in Argentinien, wo Sommeliers als Servicespezialisten wahrgenommen werden, oft wie Kellner, die besonders viel über Wein wissen. In den USA und in Asien spielt der Sommelier hingegen eine größere und ausgefeiltere Rolle und ist fast eine Art „Rockstar“, wenn es um Wein geht.
Obwohl ich denke, dass Service ein integraler Bestandteil der Ausbildung eines Sommeliers ist und der Beruf eng mit dem Servicegedanken verbunden ist, ist er meiner Meinung nach nicht darauf beschränkt. Heutzutage sehen wir, dass Sommeliers auch für Weinmagazine tätig sind, oder unterrichten, um nur einige Beispiele zu nennen.
Ich denke daher, es ist eine Frage der Zeit. Vor zwanzig Jahren konnte ein Sommelier in Argentinien ausschließlich in einem Restaurant arbeiten. Heute arbeiten immer noch viele Sommeliers in Restaurants, aber es gibt zudem solche, die verschiedene Restaurants bei der Erstellung ihrer Weinkarten beraten, diejenigen, die in Ausbildungseinrichtungen unterrichten, für spezialisierte Zeitschriften tätig sind, oder im Einzelhandel und Importgeschäft arbeiten. Ich freue mich wirklich sehr über dieses Wachstum!
Wann und wo haben Sie Ihre Leidenschaft für Wein entdeckt?
Ich habe Politikwissenschaften studiert. Im Alter von 19 Jahren habe ich mich entschieden, eine Reise nach London zu machen, um mein Englisch zu verbessern. Auf dieser Reise habe ich einige Kollegen aus der Schweiz getroffen, die zu jedem Essen hervorragende Weine tranken und so fing ich an mich mehr und mehr für das Thema zu interessieren. London ist eine fantastische Stadt für Weine und Drinks, weil man in dieser Stadt einfach alles findet, was man sich nur wünschen kann. Nachdem ich nach Buenos Aires zurückgekehrt war, entschied ich mich an einem Kurs über Wein teilzunehmen. Daran hatte ich so viel Freude, dass ich beschloss hauptberuflich Sommelier zu werden. Ich ließ meine politikwissenschaftliche Karriereplanung hinter mir und seitdem dreht sich mein Leben um Wein.
Wer ist Ihr großes Vorbild in der Welt der Weine und Sommeliers?
Viele Kollegen, die ich bewundere, sind Argentinier, weil ich mit ihnen mehr in Kontakt stehe, als mit Anderen. Aber wenn ich wählen muss, würde ich mich für die beiden folgenden Sommeliers entscheiden. Zuerst Gerard Basset, wegen seines enormen Talents in Kombination mit seiner großen Bescheidenheit. Ich hatte das Glück ihn einige Male zu treffen, was mich aber am meisten geprägt hat war die Organisation von Best Sommelier of the World 2016. Gerard war am Fachausschuss beteiligt, der die Aufgaben vorbereitete und ich war der argentinische Beauftragte, der ihn dabei unterstützen sollte. Es waren sehr arbeitsreiche Tage, an denen wir immer eine respektvolle Atmosphäre bewahrten und den höchsten Standard anstrebten.
Als Zweites möchte ich Paz Levinson nennen, die nicht nur eine herausragende Expertin ist, sondern die ich auch auf persönlicher Ebene sehr schätze. Ich habe 2010 mit Paz für den ersten nationalen Wettbewerb, den sie gewonnen hat, gelernt. Im Anschluss verlief ihre Karriere sehr erfolgreich und ich habe mich wirklich darüber gefreut, weil sie jeden Tag an sich arbeitet und dafür kämpft ihre Träume zu erreichen.
Wie gehen Sie vor, um den perfekten Wein (oder das perfekte Getränk) für ein Gericht auszuwählen?
Ich bin jahrelang davon ausgegangen, dass Essen und Wein sich ergänzen müssten. Man mit anderen Worten „zusammenführt, was zusammen gehört“. Im Laufe der Zeit fing ich allerdings an immer gewagtere Kombinationen auszuprobieren, die Geschmacksexplosionen im Mund auslösen und zu unvergesslichen Erlebnissen werden.
In welcher Weinregion würden Sie jedem einen Besuch empfehlen und warum?
Außerhalb von Argentinien würde ich Burgund empfehlen, um das Konzept des Terroirs zu verstehen und zu sehen, wie hinter jedem Wein eine genaue Vorstellung des Winzers steht. Aber ich bin ohne jeden Zweifel der Meinung, dass Cafayate (Salta, Argentinien) eine ganz einzigartige Region ist; ein Tal, das nicht nur die Wiege einiger der besten Weine Argentiniens ist, sondern auch eine Landschaft und Kultur repräsentiert, die man in anderen Teilen der Welt nicht zu Gesicht bekommt.
Der Nordwesten Argentiniens sollte bei jedem auf der Liste stehen, der unser Land besucht!
Um welchen Wein zu probieren würden Sie ein großes Opfer bringen?
Es gibt viele Weine – oder zumindest Lesen – die ich gerne probieren würde, obwohl ich keinen direkt benennen könnte. Aber um diese Frage nicht unbeantwortet zu lassen, würde ich sagen: Einige sehr alte Jahrgänge DRC oder Jean Louis Chave.
Was ist Ihre Lieblingserinnerung an Ihre Hotelmanagementausbildung?
Da ich keine Hotelmanagementausbildung gemacht habe, kann ich dazu leider nichts erzählen.
Ein kulinarisches Erlebnis, dass jeder einmal gemacht haben sollte – abgesehen von einem Essen in Ihrem Restaurant?
Schnappt euch ein paar Flaschen Wein, Brot und guten Käse und teilt das mit Freunden inmitten eines Weinguts. Ganz egal wo, ob im Elsass oder in den Bergen Mendozas. Das Wichtige ist, an einer Geburtsstätte des Weins den Moment zu genießen.