Ricardo Grellet
Um unseren nächsten Sommelier zu treffen bleiben wir in Lateinamerika, aber dieses Mal handelt es sich nicht um eine Dame. Darf ich Ihnen den chilenischen Spitzensommelier Ricardo Grellet vorstellen?
Ricardo ist ein klassisch ausgebildeter Sommelier, das bedeutet, er hat eine Hotelmanagementausbildung absolviert. Nach Beendigung seiner Ausbildung zog es ihn für eine Spezialisierung in Accomodation & Catering über den großen Teich nach Madrid. Weil seine Liebe zu Wein und seinem Heimatland zu groß waren, kehrte er nach Chile zurück, wo er an der Pontificia Universidad Catalónica de Chile einen Abschluss in „Vino Chileno“ machte und anschließend WSET-Diplomkurse besuchte.
Ich bin nicht überrascht, dass Ricardo in Chile ein angesehener Sommelier ist, da er viel getan hat, um den Bekanntheitsgrad seines Berufsstandes zu erhöhen. Unter anderem ist er der Gründer der chilenischen Sommelier-Vereinigung, seit einigen Jahren akademischer Leiter der Sommelier School of Chile und sein Engagement erstreckt sich noch in viele andere Bereiche.
Nach einer mehr als zwanzigjährigen HoReCa-Laufbahn, die 2008 vom Titel als Best Sommelier of Chile gekrönt wurde, arbeitet Ricardo zurzeit als freiberuflicher Berater, Ausbilder, Handelsmanager bei DIAGEO Chile und Produktionsleiter bei Hill & Knowlton Captiva.
DAS INTERVIEW
Mit welcher Weinregion arbeiten Sie am liebsten?
Das ist wirklich eine schwere Frage, weil es unmöglich ist nur eine Region auszuwählen. Es spricht für sich, dass ich es vorziehe Weine aus meinem Heimatland, wie etwa Weine aus Maipo zu empfehlen. Ich muss zugeben, dass die neuen Weine aus der südlichen Grenzregion immer öfter ihren Weg in mein Glas finden. Besonders die leichteren Weine passen hervorragend zu einer Vielzahl an Speisen und können daher problemlos von einer ganzen Tischgesellschaft geteilt werden.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, um ein guter Sommelier zu sein?
Man muss verstehen, dass der Kunde im Mittelpunkt steht und dass egal wie viel man weiß, der Kunde sich wohl- und gut beraten fühlen soll. Wenn man das nie vergisst, kann man ein guter Sommelier werden.
Wird der Beruf des Sommeliers unterschätzt bzw. zu wenig gewürdigt?
Wir Sommeliers müssen verstehen, dass wir unsere Fähigkeiten unter Beweis stellen müssen bevor die Leute sich ein Urteil über uns bilden. Heutzutage gib es viele Kritiker und Leute, die sich selbst für Sommeliers halten. Dabei arbeiten aber die Wenigsten in Restaurants oder Hotels, in denen sie wirklich gebraucht werden. Solange wir nicht zeigen, dass wir tatsächlich etwas Positives bewirken können, wird man uns nie anders bewerten. Der Platz eines Sommeliers sollte zwischen den Tischen der Gäste sein und nicht hinter einem Schreibtisch im Management.
Wann und wo haben Sie Ihre Leidenschaft für Wein entdeckt?
In meiner Familie war Wein schon immer ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Mein Vater hat nur Coca Cola gekauft, weil meine Kinder ihn darum gebeten haben. Anderenfalls wäre ihm sowas nie ins Haus gekommen. Mein Vater hat immer viele Leute eingeladen und alle haben dann ganz ungeduldig auf das Essen gewartet. Während dieser Wartezeit wurde der Wein gereicht.
Das fehlt mir sehr. Ich denke, dass mehr Familien Wert auf diese Art Bildung legen sollten. Es ist nicht die Schuld einer Regierung oder einer politischen Haltung. Das ist Bildung von Kindesbeinen an. Mehr Eltern sollten sich darüber Gedanken machen ihren Kindern etwas über Esskultur beizubringen und dazu gehört nun einmal auch Wein.
Wer ist Ihr großes Vorbild in der Welt der Weine und Sommeliers?
Da kann ich drei Namen nennen: Meinen Lehrer Héctor Vergara, „mi hermano“ Andrés Rosberg und Gérard Basset, der der Sommelier ist, der ich einmal zu werden hoffe.
Wie gehen Sie vor, um den perfekten Wein (oder das perfekte Getränk) für ein Gericht auszuwählen?
Das hängt ganz von der Situation ab: Suche ich einen Wein für ein Weingut aus, dann werden die Weine im Vordergrund stehen. Bin ich für ein Restaurant tätig, wird sich die Weinkarte bzw. meine Auswahl am Essen orientieren. Wichtig ist nur, dass die Kombination Sinn ergibt.
In welcher Weinregion würden Sie jedem einen Besuch empfehlen und warum?
Solo una?! Eine reicht auf keinen Fall aus!
Um welchen Wein zu probieren würden Sie ein großes Opfer bringen?
Solo uno?! Heute, und auch wirklich nur heute, habe ich da Priorat im Kopf, ich denke aber auch an die Champagne und Rhône oder Südchile oder Patagonien. Ich wiederhole mich, wenn ich sage, dass die Auswahl einer einzigen Flasche wirklich nicht leicht ist, weil es tausende sind, die ich gerne (erneut) probieren und entdecken möchte.
Was ist Ihre Lieblingserinnerung an Ihre Ausbildung?
Einmal habe ich während einer Blindverkostung in Kalifornien zwei von sechs Weinen formvollendet identifizieren können. Das kommt nur sehr selten vor.
Ein kulinarisches Erlebnis, dass jeder einmal gemacht haben sollte – abgesehen von einem Essen in Ihrem Restaurant?
Öffnen Sie eine Magnumflasche Champagner (erfolgreich) mit einem Säbel. Essen Sie Austern aus Calbuco an einem Strand in Südchile und trinken Sie dazu einen Sauvignon Blanc aus Paredones. Essen Sie Foie gras im Stadtzentrum von Bordeaux mit einem wunderbaren Sauternes. Genießen Sie ein Barbecue auf dem Weingut Zuccardi in Mendoza, das vom besten Gastgeber Argentiniens veranstaltet wird: Seba Zuccardi. Oder besuchen Sie die Bar 878 in Buenos Aires für einige „Negronis“ mit Andres Rosberg. Denn auch das kann man nicht auf ein einziges Erlebnis beschränken.