Paz Levinson
Ich habe bereits den dritt- und den fünftbesten Sommelier (beides Frauen) der Welt interviewt, und es gibt noch weitere Sommelièren, die ich der Liste hinzufügen möchte. Dieses Mal ist es mir eine Ehre Ihnen Paz Levinson vorzustellen, die bei der ASI Weltmeisterschaft 2016 in Mendoza den vierten Platz belegte.
Paz wurde in Argentinien geboren und krönte ihre Ausbildung mit einer Professur für Literaturwissenschaft. Man sollte meinen, dass jemand mit derartiger Qualifikation an einer Universität unterrichten würde, aber wo die Liebe hinfällt… Und ihre Liebe zum Wein war offensichtlich zu groß, um sie zu ignorieren. Neben ihrem regulären Studium belegte sie einen zweijährigen Kurs für Sommeliers. Da Paz in Argentinien lebte ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie dort auch ihre ersten Schritte auf dem Weg des Weines ging. Es hat aber auch nicht lange gedauert, bis sie sich neue Ziele setzte und nach Europa zu neuen Ufern aufbrach. Ihre erste Station dabei war das Hotel „Le Bristol“ in Paris. Von dort aus unternahm sie auch einige Reisen in die nahegelegenen Weinregionen.
Ich erwähnte bereits, dass Paz bei der ASI Weltmeisterschaft 2016 Vierte wurde, aber das ist nur ein kleiner Teil dessen, was sie bisher erreicht hat. Sie ist auch Gewinnerin der Titel Best Sommelier of Argentina (2010) und Best Sommelier of the Americas (2015), um nur eine Auswahl zu nennen.
Heute arbeitet Paz als Sommelière im Pariser Restaurant Vitrus. Unter anderem, versteht sich, denn sie reist immer noch um die Welt, um zu unterrichten und an internationalen Wettbewerben teilzunehmen. Und zu guter Letzt ist sie auch noch eine wirklich liebenswerte Person!
Viel Vergnügen!
Das Interview
Mit welcher Weinregion arbeiten Sie am liebsten?
Ich bin ein großer Fan des Loirtals. Wir können eine ganze Weinkarte nur aus Weinen des Loirtals erstellen. Dort gibt es alles: Von Muscadet bis wunderbaren Chenins, sowohl jung als auch alt, trocken oder lieblich, mit oder ohne Eiche. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Crémants sind sehr gut und die Rotweine von einem leichten und frischen Cabernet Franc bis zu sehr terroirlastigen, intensiven und altehrwürdigen Weinen sind atemberaubend. Nicht zu vergessen ist Sancerre, zusammen mit Sauvignon Blanc und Pinot Noir eine Welt für sich. Von den anderen Rebsorten wie grolleau, gamay, etc. will ich gar nicht erst anfangen.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, um ein guter Sommelier zu sein?
Um ein guter Sommelier zu sein ist Servicedenken die Grundvoraussetzung. Darin ausgezeichnet zu sein erweist sich in vielerlei Hinsicht als hilfreich. Das Verhalten am Tisch des Gastes ist besonders wichtig. Es kommt darauf an, unseren Kunden ein gutes Gefühl zu vermitteln.
Auch auf Fachwissen kommt es an. Das bedeutet allerdings nicht so viele komplizierte Worte wie möglich zu verwenden, nur um anzugeben. Unser Wissen hilft uns, unsere Tätigkeit noch besser auszuüben: Wenn ein Gast Fragen hat, können wir diese schnell und zuverlässig beantworten. Eine weitere wichtige Eigenschaft ist Teamfähigkeit. Wir müssen ein Team aufbauen können und als Lehrer für die nächste Generation Sommeliers fungieren.
Wird der Beruf des Sommeliers unterschätzt bzw. zu wenig gewürdigt?
Das hängt vom Land ab. In Frankreich können Sommeliers, je nach Kenntnis des Arbeitgebers, eine sehr wichtig Position einnehmen. Am besten ist es, wenn der Sommelier zugleich der Eigentümer ist. In vielen Restaurants wird den Köchen deutlich mehr Aufmerksamkeit zu teil als den Sommeliers. Es gibt viele Ein-Sterne-Restaurants, die nicht einmal einen Sommelier als Leiter des Service beschäftigen. In New York City ist das ganz anders: Sommeliers sind die Aushängeschilder der Restaurants (noch nicht überall, aber das wird schon noch) und sie bilden das Bindeglied zwischen den Gästen und der Küche.
Wann und wo haben Sie Ihre Leidenschaft für Wein entdeckt?
Ich habe meine Leidenschaft mit 23 entdeckt, als ich in Buenos Aires im Restó arbeitete. Bereits während meines Literaturwissenschaftsstudiums habe ich Weinkurse besucht, doch da der Wein mich ausgesucht hat und nicht umgekehrt, waren meine Prioritäten bald ganz klar auf den Wein ausgerichtet. Daher dreht sich mein Alltag seither um das Unterrichten, Reisen und den Besuch von Weingütern.
Wer ist Ihr großes Vorbild in der Welt der Weine und Sommeliers?
Ich habe viele Vorbilder und alle aus verschiedenen Gründen. Ich finde toll, dass Rajat Parr im Restaurantbetrieb angefangen hat und nun fantastische Weine herstellt und wunderbare Bücher schreibt. Auch Veronique Rivest mit ihrer inspirierenden Leidenschaft für Wein beeindruckt mich durch ihre charmante und selbstbewusste Art. Sie führt ihre eigene „bar à vins“, in der die Angestellten ständig etwas dazulernen, sich aber wirklich wohlfühlen und das Ambiente sowohl zwanglos als auch klassisch ist.
An Gerard Basset bewundere ich seine Unkompliziertheit, seine Art mit Menschen umzugehen, sein Einsatz für die Sommeliers, seine grenzenlose Leidenschaft für die Lehre. Sein Hotel ist ein Juwel mitten im Wald. Wer dort arbeitet kann eine Menge lernen, denn Gerard ist eine Inspiration und hilft einem, jeden Tag besser zu werden.
Mein Landsmann Sergio Calderon ist Chefsommelier des Bras***, für das er bereits seit mehr als 25 Jahren tätig ist. Sein Wissen über französische Weine ist unfehlbar. Letzten Monat sind wir zusammen nach Burgund gereist. Seine Art mit den Winzern zu sprechen offenbart tiefen Respekt und Dankbarkeit.
Wie gehen Sie vor, um den perfekten Wein (oder das perfekte Getränk) für ein Gericht auszuwählen?
Ich bin eine Verfechterin des Pairings. Es übt eine große Faszination auf mich aus. Ich suche immer nach einer gemeinsamen Frequenz, der gleichen Melodie, der gleichen Art Musik. Die Kombination muss am Gaumen singen. Punkte, die es abzuhaken gilt, um etwas Passendes zu finden, sind etwa: Säure, Zuckergehalt und Aromen. Die Sinne und der Intellekt spielen auch eine wichtige Rolle.
In welcher Weinregion würden Sie jedem einen Besuch empfehlen und warum?
Ich denke, Burgund ist das Mekka schlechthin für jeden Weinliebhaber. Außerdem ist es eine bezaubernde Region und man kann alles leicht mit dem Fahrrad erreichen. Es gilt die Unterschiede zwischen den Anbauflächen zu entdecken. Die beste Reisezeit ist im Sommer oder Herbst. Auch die umliegenden Städte, allen voran Dijon, haben einige Sehenswürdigkeiten zu bieten. Ich bin am liebsten in Beaune oder Meursault.
Um welchen Wein zu probieren würden Sie ein großes Opfer bringen?
Es gibt so viele Weine, die ich gerne probieren, oder erneut kosten möchte. Dabei denke ich allerdings nicht an Opfer. Vielmehr denke ich, dass es bei solchen Gelegenheiten darum geht, dieses Vermächtnis und den besonderen Augenblick mit Freunden zu teilen.
Was ist Ihre Lieblingserinnerung an Ihre Ausbildung?
Ich habe die La Cave Wine School besucht, die zweijährige Kurse für Sommeliers anbietet. Wir haben jedes Detail des Sommelierberufs kennengelernt und ebenso auch jede Weinnation. Darüber hinaus haben wir auch alles über Tee, Schokolade, usw. gelernt. Eine besonders schöne Erinnerung habe ich an meinen ersten Tag dort, als wir mit einem 1998er Dom Perignon angestoßen haben. Ein großes Opfer gleich am ersten Tag.
Ein kulinarisches Erlebnis, dass jeder einmal gemacht haben sollte – abgesehen von einem Essen in Ihrem Restaurant?
Meine schönsten Erlebnisse hatte ich auf Reisen. Ein gutes Essen im Caves Madeleine nach einer Reihe von Besuchen bei Winzern ist immer etwas Schönes. Ganz besonders, wenn man im Winter den ganzen Tag bei kalten 10°C unterwegs war. Wir saßen bei einer Flasche Burgunder zusammen und redeten über Gott und die Welt. Etwas Besseres kann man kaum erleben. Die Ausstrahlung dieser regionalen Produkte zieht einen in Bann und man fühlt sich sofort wie zu Hause.