Aristide Spies
Dieses Mal geht es um keinen Geringeren als den Stolz der belgischen Sommeliers: Aristide Spies. Für diejenigen, die Aristide nicht kennen: Er hat es geschafft bei der ASI Weltmeisterschaft 2013 in Tokio Dritter zu werden und damit eines der bisher besten Ergebnisse für Belgien zu erzielen (vor ihm gelang Ähnliches nur unserem Vorsitzenden William Wouter, der Vierter wurde, Marc Wattiez, der 1989 den zweiten Platz belegte und Herman Dedapper, der 1983 Dritter wurde).
Aristides Leidenschaft für Wein reicht bereits bis zu seinem zwölften Lebensjahr zurück. Während eines Urlaubs mit seinen Eltern im französischen Périgord haben ihn die Trauben verzaubert. Seine Begeisterung reichte so weit, dass er sich für Wein- und Kochkurse anmeldete, die er neben seinem normalen Schulunterricht besuchte. Nach seinem Schulabschluss ging Aristide als Rotary Youth Exchange Student für ein Jahr nach Australien. Zurück in Belgien begann er in dem Michelin-Restaurant „Les Forges du Pont d’Ove“ zu arbeiten, wo er vom Barmann zum Sommelier aufstieg und viel von Chef-Sommelier Pascal Carré lernte, der ihm auch Kontakte zu den besten Sommeliers vermittelte.
Ich kann mit Sicherheit sagen, dass Aristide sehr engagiert und passioniert ist, wenn es um Wein und alles, was damit zu tun hat, geht. 2007 gewann er den Titel „Best Sommelier of Belgium“, welcher nur der erste Titel in einer ganzen Reihe werde sollte. Mit der Zeit wurde er Master Sommelier, Dritter bei der Weltmeisterschaft und erlangte sein WSET Diplom (Level 3 und 4). Zusätzlich verbrachte er jahrelang täglich viel Zeit mit dem Studium, war oft auf Reisen und hat jede sich bietende Gelegenheit zu einer Weinprobe genutzt.
Wer sich unter der Weltmeisterschaft der Sommeliers nichts vorstellen kann: Es ist vergleichbar mit den Olympischen Spielen, bei denen nur die Besten der Besten antreten. Die teilnehmenden Sommeliers müssen alles über Wein, Spirituosen und Zigarren wissen. Ich kann Ihnen nur raten sich 2019 die Weltmeisterschaft in Antwerpen anzusehen. Sie werden beeindruckt sein.
Kürzlich betreute Aristide Antoine Lehebel bei seiner Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2016 und unterstützt ihn auch bei der Europameisterschaft im Mai 2017 in Wien. Außerdem ist Aristide Teil des technischen Ausschusses bei „Best Sommelier of Belgium“ und dem „Junior“-Wettbewerb (d.h. er entscheidet mit, welche Aufgaben den Kandidaten gestellt werden). Darüber hinaus wählt er vielversprechende Weine für La Cave des Sommeliers aus. Ich kenne Aristide nun bereits eine ganze Weile und ich habe den Eindruck, dass er bei jedem Treffen passionierter wirkt. Ich muss auch sagen, dass ich, wie sicherlich viele andere auch, so einiges von ihm gelernt habe.
Und nun will ich Sie nicht länger hinhalten. Viel Vergnügen beim Lesen!
DAS INTERVIEW
Mit welcher Weinregion arbeiten Sie am liebsten?
Ich bin eigentlich an vielen Regionen interessiert, besonders an denen der kalten bis gemäßigten Klimazonen, z. B. Loire, Mosel, Burgund, Elsass, Nahe, Jura, Savoie und nördliches Rhône. Diese Regionen produzieren sehr ausgewogene Weine und zumeist Weißweine. Das ist hilfreich, da in belgischen Restaurants oft Gerichte auf der Karte stehen, die besser zu Weiß- als zu Rotweinen passen.
Für mich ist Balance das Wichtigste an einem Wein und die ist heutzutage leichter in den kühleren Regionen zu finden. Daher ist meine Lieblingsregion wahrscheinlich Loire, dank des guten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Wenn Geld keine Rolle spielte, würde die Wahl wohl auf Burgund fallen. Ginge es nach meinem Herzen, wäre es Jura – ich liebe Vin Jaune. Würde ich auf meinen Bauch hören, würde ich mich für das Elsass entscheiden, denn die große Auswahl an Weißweinen erlaubt uns gänzlich unerwartete Kombinationen.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, um ein guter Sommelier zu sein?
Ein guter Sommelier ist ein Fachmann in Sachen Gastlichkeit. Er benötigt sehr viel Erfahrung in Restaurants! Es ist unmöglich, ein guter Sommelier zu werden ohne langjährige Berufserfahrung. Denn nur diese Erfahrung vermittelt die Nuancen, die den kleinen aber feinen Unterschied machen und der Kunde wird das natürlich bemerken. Der Unterschied zwischen einem 2-Sterne und einem 3-Sterne-Restaurant liegt meist ganz im Detail. Dasselbe gilt für einen guten Sommelier.
Bei jedem Gast, auch während der Stoßzeiten mittags und abends, einen exzellenten Service zu gewährleisten, erfordert Erfahrung, Effizienz und Kompetenz. Diese Fähigkeiten gehen sicher mit einer Leidenschaft für Wein, Gastronomie und Service einher. Leidenschaft deshalb, weil der lange und steinige Weg eines Sommeliers ohne eine wirkliche Liebe gegenüber diesem Getränk einfach nicht zu bewältigen ist.
Leidenschaft für Wein, weil ein Sommelier viel Zeit damit verbringt auf Grundlage seines Fachwissens, vielen Tastings, Treffen und Reisen seine Weinauswahl zu treffen und den Kunden gemäß dessen Menüs, Geschmacks und Budgets zu beraten.
Leidenschaft für Gastronomie, denn wie sollte man sonst (kulinarisch versierte) Kunden beraten, wenn man nicht viele Rezepte und Weinkombinationen schon selbst probiert hätte?! Wir müssen wissen, was nicht zusammen funktioniert, um zu verstehen, was gut passt und warum.
Leidenschaft für Service, denn ein Sommelier verbringt auch viel Zeit damit, im Restaurant Gäste zu bedienen und sie zufriedenzustellen. Bis zu einem gewissen Grad kann einem das vermittelt werden, aber darüber hinaus muss ein Sommelier ein Gefühl dafür entwickeln und es sollte ihm Freude bereiten seine Kunden glücklich zu machen.
Wird der Beruf des Sommeliers unterschätzt bzw. zu wenig gewürdigt?
Es tut mir leid das zu sagen, aber das hängt ganz davon ab, um welche Art von Sommelier es sich handelt.
Die Meisten geben ihr Bestes, um ein Höchstmaß an Professionalität zu erreichen und die Kunden werden das anerkennen und sie zu schätzen wissen. Ob der Arbeitgeber diese Anerkennung teilt, hängt wahrscheinlich vom finanziellen Vorteil für das Restaurant ab und davon, ob die Kunden zufrieden sind und wiederkommen.
Wann und wo haben Sie Ihre Leidenschaft für Wein entdeckt?
Ich war 12 und meine Familie machte Urlaub im Périgord (Frankreich). Wir besuchten St. Emilion und Monbazillac, allerdings eher wegen der alten Gemäuer als wegen der Weine. Aber meine Eltern kauften auch einige Flaschen Wein, die sie während unseres Urlaubs zu Foie gras und Entenconfi tranken. Ich durfte auch ein wenig probieren und war begeistert! Aber es war nicht nur der Wein an sich, sondern auch die vom Weinbau geprägte Landschaft, die Geschichte, die Geographie. Ich fand es wunderbar all die Geschichten darüber zu hören.
Wieder zu Hause belegte ich an der Abendschule Weinkurse und so nahm meine Leidenschaft für Wein bereits früh ihren Lauf.
Wer ist Ihr großes Vorbild in der Welt der Weine und Sommeliers?
Ich war immer beeindruckt von Sommeliers mit fundiertem Fachwissen und kulinarischer Erfahrung, wie Olivier Poussier und Eric Baumard. Aber mein größtes Vorbild ist und bleibt mein Mentor Pascal Carré, der mir seit unserer ersten Begegnung so viel beigebracht hat und von dem ich noch immer etwas lernen kann. Ich muss sagen, dass es zahlreiche hervorragende Sommeliers gibt, die nie irgendeinen Titel gewonnen haben. Einige suchen einfach nicht den Wettbewerb, aber das macht sie nicht zu schlechteren Sommeliers.
Wie gehen Sie vor, um den perfekten Wein (oder das perfekte Getränk) für ein Gericht auszuwählen?
Als erstes richte ich mich nach der Jahreszeit. Mache Gerichte verlangen im Winter einen anderen Wein als im Sommer. Die Reihenfolge der Gerichte in einem Menü spielt auch eine wichtige Rolle, denn sie beeinflusst die Art oder die Stärke des Weines, den ich serviere. Natürlich bedenke ich auch die Komponenten des Essens, die Art und Weise wie die einzelnen Zutaten gekocht wurden, den Salz- und Säuregehalt, süße und bittere Noten, dominante und untergeordnete Aromen, die Textur und den Gehalt. Schließlich muss ich selbstverständlich das vorhandene Budget und den speziellen Geschmack des Kunden berücksichtigen.
In welcher Weinregion würden Sie jedem einen Besuch empfehlen und warum?
Das Douro-Tal ist umwerfend! Es ist schwer einen spektakuläreren Ort zu finden und es ist auch gar nicht so klein, wie viele Leute meinen. Man kann die Weinberge vom Fluss, vom Zug oder von einem Weingut aus bewundern. Die Weine der Region sind sehr interessant, besonders die alten Tawny und Vintage Portweine. Aber auch die nicht-angereicherten Weine werden heutzutage immer besser. Daher ist es gut möglich, ein ganzes Menü mit Weinen des Douro-Tals zu genießen, da die Auswahl an Weinstilen so groß ist.
Um welchen Wein zu probieren würden Sie ein großes Opfer bringen?
Für einen alten Château Chalon oder einen Vin Jaune.
Was ist Ihre Lieblingserinnerung an Ihre (Hotelmanagement-)Ausbildung?
Neben den Kursen über Weinverkostung, die ich als Teenager belegt habe, der WSET-Ausbildung und den Master Sommelier Kursen, die ich später belegt habe, habe ich nie eine Hotelmanagementschule besucht. Daher würde ich sagen, dass die Weinkurse, die ich mit 12 Jahren zusammen mit meiner Mutter besucht habe (denn ein Erwachsener musste dabei sein), mein Highlight waren.
Ein kulinarisches Erlebnis, dass jeder einmal gemacht haben sollte – abgesehen von einem Essen in Ihrem Restaurant?
Ein Tasting in der Domaine de la Romanée-Conti ist etwas ganz Besonderes. Ich hatte das große Vergnügen alle Grand Cru Weine vom Fass zu vergleichen, bevor ich die älteren Jahrgänge probierte. Am besten in Erinnerung geblieben ist mir der 1998er Bâtard Montrachet – einfach hervorragend!