Veronique Rivest
Nun ist es an der Zeit eine der führenden Damen der kanadischen Sommelierszene vorzustellen. Bitte lernen Sie mit mir Veronique Rivest kennen.
Veronique hat moderne Sprachen und Literaturen mit einer Spezialisierung auf Deutsch und Spanisch studiert und außerdem einen MBA in International Trade. Dennoch entschied sie sich ihr Leben dem Wein zu widmen. Und das ist noch zurückhaltend ausgedrückt, da sie den Titel Best Sommelier of Canada bereits zwei Mal (2006 und 2012) gewonnen hat, 2012 zudem Best Sommelier of the Americas wurde und 2013 den zweiten Platz beim Best Sommelier of the World belegte (hinter Paolo Basso, der den Titel holte und vor der Belgierin Aristide Spies, der Dritter wurde). Kein schlechtes Ergebnis für eine Autodidaktin, nicht wahr?!
Nachdem sie vom Algonquin College of Applied Arts and Technology als Sommelière zertifiziert wurde, wurde sie selbst Lehrerin und begann am Algonquin College zu unterrichten und Kurse zu entwickeln. Gleichzeitig war sie über 16 Jahre Sommelière im Restaurant Les Fougeres.
Heute arbeitet Veronique als Beraterin, Sommelière, Wein-Kolumnistin für die Zeitung Le Droit und Radio-Canada in Ottawa. Außerdem schreibt sie für zahlreiche Magazine und tritt weltweit in Fernseh- und Radiosendungen auf. 2014 hat sie in Gatineau zudem ihre eigene Weinbar SOIF eröffnet und versucht ihre Leidenschaft weiterzugeben.
Das Interview
Mit welcher Weinregion arbeiten Sie am liebsten?
Oh, das ist als ob Sie mich fragten, welches meiner Kinder ich bevorzuge! Das hängt ganz von meiner Tagesform ab. Ein Grund für die große Anziehungskraft von Wein ist seine Vielfalt und dass es immer noch etwas zu entdecken gibt.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, um ein guter Sommelier zu sein?
Neugierde, Bescheidenheit, eine wahrhaftige Leidenschaft für den Kunden und ganz viel Arbeit.
Wird der Beruf des Sommeliers unterschätzt bzw. zu wenig gewürdigt?
Im Moment wird etwas viel Aufhebens darum gemacht. Die Aufmerksamkeit und Valorisierung dieses Berufs ist toll, aber der Berühmtheitsstatus ist lächerlich. Es geht schließlich nur um Wein; wir retten keine Leben. Wenn wir uns in unserem Job hervortun, werden wir als Kenner geschätzt.
Wann und wo haben Sie Ihre Leidenschaft für Wein entdeckt?
Ich sage oft, dass ich diese Leidenschaft schon als Kind hatte. Ich habe immer gerne gegessen und getrunken, ich bin wahnsinnig neugierig und liebe es zu lernen. Daher war Wein einfach perfekt. Ich habe darin anfangs nie einen Karriereweg gesehen. Mit 16 habe ich angefangen nebenbei in Restaurants zu arbeiten, aber dann schnell meine Liebe für die Gastronomie entdeckt und gemerkt, dass ich daran viel mehr Spaß hatte als am Studium. Fast durch Zufall habe ich sieben Jahre auf einem Weingut im Elsass gearbeitet. Dort wurde mir klar, dass die Arbeit als Sommelière perfekt für mich ist.
Wer ist Ihr großes Vorbild in der Welt der Weine und Sommeliers?
Hier kann ich leider nichts Originelles sagen, denn Gerard Basset ist einfach ein ganz außergewöhnlicher Sommelier. Er ist unglaublich professionell, freundlich und großzügig und strebt immer danach sich zu verbessern. In Bezug auf Wein sind es all die Winzer, die hart arbeiten, um authentische, lebendige Weine herzustellen.
Wie gehen Sie vor, um den perfekten Wein (oder das perfekte Getränk) für ein Gericht auszuwählen?
Ich habe Jahre damit verbracht zu lernen und zu erfahren wie man Essen und Wein am besten kombiniert, denn das ist ein wichtiger Bestandteil dieses Berufes. Ich versuche die Aromen und Texturen zu berücksichtigen, aber noch viel mehr achte ich auf die Vorlieben der Gäste, deren Stimmung, den Anlass, die Jahreszeit, usw. Kontext ist das aller Wichtigste.
In welcher Weinregion würden Sie jedem einen Besuch empfehlen und warum?
In so vielen! Ich habe auf jeden Fall eine Schwäche für das wunderschöne Elsass mit seinem vielfältigen Terroir (und dem unglaublichen Essen!). Griechenland finde ich auch faszinierend, denn es gibt dort unzählige Rebsorten und Terroirs. Außerdem ist die Landschaft sehr beeindruckend, die Region verfügt über eine bewegte Vergangenheit und das Essen ist absolut köstlich. Argentinien besticht durch seine atemberaubende Landschaft. Und auch das kanadische Okanagan Valley gehört zu den schönsten Weinanbauregionen der Welt! Aber ehrlich gesagt wird jede Weinregion durch die dort lebenden Menschen, die Weine und die lokale Küche ein ganz eigener Charme verliehen. Denn das alles eröffnet einen Blick auf die Traditionen und die Kultur einer Region.
Um welchen Wein zu probieren würden Sie ein großes Opfer bringen?
Die ganz alten Weine zu probieren, die sich über so viele Jahre durchsetzen konnten, ist eine unglaubliche Gelegenheit. Weine, die 30, 40 Jahre oder noch älter sind nehmen uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit und lassen uns darüber nachdenken, wie es damals gewesen sein mag. Wir denken dann zum Beispiel an die klimatischen Bedingungen eines Jahres, aber ich frage mich auch welche Ereignisse sich zugetragen haben mögen und wie es den Menschen, die den Wein hergestellte haben wohl ergangen sein mag, worüber sie geredet haben und was sie bewegt hat.
Was ist Ihre Lieblingserinnerung an Ihre Ausbildung?
Ich habe mir alles selbst beigebracht! Aber die schönsten Erinnerungen habe ich an all die Menschen, die ich getroffen habe und die mich auf meinem Weg unterstützt und vorangebracht haben: Andere Sommeliers, Mentoren, Winzer und Gäste.
Ein kulinarisches Erlebnis, dass jeder einmal gemacht haben sollte – abgesehen von einem Essen in Ihrem Restaurant?
Regionalen Wein zusammen mit regionalen Essen in der Herstellungsregion zu erleben ist immer etwas Wunderbares. Aber nichts kann jemals ein gutes Essen mit gutem Wein im Kreise von Freunden und Familie übertreffen. Dann spielt Zeit keine Rolle. Das ist und bleibt die beste Kombination überhaupt.