Jahreshauptversammlung 2016
Eine Jahreshauptversammlung? Ein Fest!
40 Jahre Sommelier-Union, das war ein guter Grund, bei der Jahreshauptversammlung in Mainz mal so richtig zu feiern.
Die Jahreshauptversammlung der Sommelier-Union ist schon fast vorbei, da bekommen wir auf Schloss Vollrads ein unwiderstehliches Angebot. „Wenn Sie dafür sorgen, dass die Sonne weiterhin so strahlt wie gerade eben, dann dürfen Sie gerne alle eine Woche lang bleiben“, sagt Peter Seyffardt, Präsident des Rheingauer Weinbauverbandes. Die meisten hätten das sicher gerne angenommen, und wenn es nur für ein Mittagsschläfchen gewesen wäre. Denn bei dem sensationellen Programm am Vortag war die Nachtruhe ein wenig kurz geraten.
Am Montagnachmittag gab es zunächst den offiziellen Teil, bei dem Steven Rößler-McAulay neu in den Beirat gewählt wurde, zügig beendet. Außerdem erhielten Bernd Glauben und Markus Del Monego Glückwünsche für 20 Jahre Präsidentschaft und Vizepräsidentschaft. Danach begann der „Sommelier-Talk“, moderiert von Martin Maria Schwarz vom Hessischen Rundfunk. Fünf Gäste diskutierten im Favorite Parkhotel in Mainz zum Thema Wandel und Werte in der Branche. Unions-Präsident Bernd Glauben äußerte die Sorge, dass die vielen Bier,- Gewürz-, Fleisch- und Steuer(!)-Sommeliers das Berufsbild verwässern und gefährden könnten. Sascha Speicher, Chefredakteur des Sommelier-Magazins, hingegen konnte darin auch etwas Positives erkennen. „Wenn zunehmend andere sich so nennen, wertet das den Begriff auf“, sagte er und wies auf einen anderen, positiven Trend hin: „Immer mehr Sommeliers gehen selber in die Gastronomie und eröffnen meist Weinbars mit gutem Essen. Das gefällt mir und das tut der gesamten Branche gut.“ Auch der FAZ-Journalist und Gastrokritiker Peter Badenhop sah in der inflationären Verwendung der Berufsbezeichnung Sommelier kein Problem. „Bleiben Sie gelassen. Ändern können Sie es eh nicht, und am Ende wird sich Qualität durchsetzen. Besetzen sie einfach diese ganzen Felder, dann haben sie das Problem mit den anderen Sommeliers nicht.“ Deshalb wünschte sich Badenhop wie auch Sternekoch Nils Henkel, dass Sommeliers in gehobenen Restaurants noch mehr wagen und zeigen, was sie können. Dazu müsse aber der Sommelier eng mit der Küche zusammenarbeiten, sagte Henkel. Sommelier und Küchenchef müssten Sparringspartner sein.
Im Anschluss endete der nur von Wasser und Kaffee begleitete Teil der Veranstaltung damit, dass Glauben den Gründungspräsidenten Kurt Fischer mit der goldenen Ehrennadel der Sommelier-Union auszeichnete und ihn zum Ehrenpräsidenten ernannte. Die Familie Rothschild hatte großzügig sieben Weine von ihren Weingütern aus dem Languedoc und Pauillac zur Verfügung gestellt, Höhepunkt war der 1999 Grand Vin von Mouton-Rothschild. Das anschließende Abendessen aus der Küche des Favorite Parkhotels war nicht nur ausnehmend gut, es gab auch jede Menge Gesprächsstoff an den Tischen. Denn einer burgundischen Tradition folgend, hatte jedes Mitglied ein oder zwei Flaschen Wein mitgebracht. Zudem saß an jedem Tisch ein Winzer, der ebenfalls den Keller seines Weinguts geplündert hatte. So hatten wir nicht nur die unterschiedlichsten Weine zum Essen, jeder hatte zu seinen Flaschen auch eine Geschichte zu erzählen. Als dann gegen halb elf Uhr abends das „Casino Vinophil“ den Spielbetrieb aufnahm, kam noch einmal Leben in die Runde. Aus dem im Programm mit 24 Uhr angegeben Ende wurde natürlich nichts.
So ist es fast schon verwunderlich, dass wir am nächsten Morgen tatsächlich pünktlich in den Bussen saßen, die uns zum Kloster Eberbach brachten – die Fahrt nutzte so mancher müde Sommelier dazu, nochmal ein wenig die Augen zu schließen.
Im Kloster Eberbach empfing uns Geschäftsführer Dieter Greiner im alten, fast nur von Kerzen erleuchteten, Fasslager mit einer Riesling Auslese aus dem Jahr 1976 – ein Wein, wie man ihn nun wirklich nicht jeden Tag ins Glas bekommt. „Wir sind hier nicht nur ein Weingut sondern ein Weinkulturgut. Seit Jahrhunderten spielt der Wein hier im Kloster die Hauptrolle“, sagt Greiner zur Begrüßung. „Ich wurde gebeten, aus jedem Jahrzehnt des Bestehens der Sommelier-Union einen Wein zu öffnen“, sagte Greiner. Die Schatzkammer der Klosters ist legendär, wohl nirgendwo anders in Deutschland lagern so viele alte Raritäten, auch Spätburgunder. Der Betrieb beschäftigt extra eine Halbtagskraft, die sich um nichts anders kümmert, als die alten Flaschen etwa alle 40 Jahre neu zu verkorken.
Für uns kamen noch Auslesen von 1986, 1996 und 2006 in die Gläser, bevor wir die Domäne Steinberg, den neuen Teil von Eberbach, besichtigten. Der Steinberg ist der älteste Weinberg des Klosters und gehört diesem in seiner heutigen Form seit 1269. Außerdem bekamen wir die optische Sortieranlage bei der Arbeit zu sehen, die seit zwei Jahren während der Lese im Einsatz ist. „Die Maschine erhöht unsere Geschwindigkeit enorm, die schafft acht Tonnen in der Stunde“, sagte Greiner. Bevor wir dann wieder in den Bus mussten, gab es noch die Topweine von Kloster Eberbach zu verkosten.
Nun ging die Fahrt zu Schloss Vollrads. Dort zeigten Rheingauer Mitgliedswinzer der Sommelier-Union einige ihrer Tropfen, bevor alle gemeinsam zu Mittag aßen. Dr. Rowald Hepp, Gutsdirektor auf Schloss Vollrads. nutzte die Gelegenheit, für den deutschen Kabinett Werbung zu machen. „Diesen Wein gibt es nur hier bei uns, der ist einzigartig in der Welt“, sagt er.
Leider zogen während des Essens draußen Wolken auf und verdüsterten den Himmel. Damit verfiel das Angebot von Peter Seyffardt, dem Präsidenten des Rheingauer Weinbauverbandes, noch ein wenig länger zu bleiben. Und so ging nach dem Nachtisch jeder seiner Wege – mit schönen Erinnerungen im Kopf, gutem Essen und wunderbaren Weinen im Bauch und vielleicht dem einen oder anderen neuen Freund oder Bekannten.
Fotograf: Nikita Kulikov – www.nikita-kulikov.de